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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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haben gerade Ihr Examen gemacht?«
    »Ja, Pathologie und Parasitenkunde.«
    Ich hätte beinahe gegen eines meiner Prinzipien verstoßen und ihn gefragt, ob er bestanden habe, konnte mich aber noch rechtzeitig bremsen. Trotzdem fehlte es uns nicht an Gesprächsstoff. Tristan hatte zu den meisten Zeitungsartikeln etwas zu sagen; gelegentlich las er mir einen Abschnitt vor, und wir diskutierten darüber. Ich gewann immer mehr die Überzeugung, er sei geistig gewandter und reger als ich.
    In Skeldale House erfuhren wir, daß Siegfried unterwegs war. Er kam erst am frühen Abend zurück, begrüßte mich freundlich und warf sich in einen Lehnstuhl. Gerade als er über einen seiner Fälle zu sprechen begann, betrat Tristan das Zimmer. Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Siegfrieds Lächeln wurde sardonisch, und er sah seinen Bruder mit einem langen, abschätzenden Blick an. Dann brummte er ein »Hallo«, streckte den Arm aus und ließ einen Finger über die Buchrücken in der Nische gleiten. Diese Tätigkeit schien ihn minutenlang völlig in Anspruch zu nehmen, und ich spürte, wie die Spannung im Raum wuchs. Tristans Gesicht war gänzlich ausdruckslos, nur seine Augen beobachteten scharf.
    Schließlich hatte Siegfried das Buch gefunden, das er suchte. Er nahm es vom Regal und blätterte darin. Dann sagte er ruhig, ohne aufzublicken: »Na, wie hat’s mit dem Examen geklappt?«
    Tristan schluckte und atmete tief ein. »Hab mich in Parasitenkunde tapfer geschlagen«, erwiderte er mit flacher, monotoner Stimme. Siegfried schien ihn nicht gehört zu haben. Er hatte eine interessante Stelle in seinem Buch gefunden, die er auch sorgfältig und ohne Hast las. Dann stellte er das Buch zurück und ging wieder die Reihe der Buchtitel durch. Noch immer mit dem Rücken zu seinem Bruder, fragte er: »Und was ist mit Pathologie?«
    Tristan saß jetzt auf der Kante seines Stuhls. Sein Blick flog von Siegfried zu dem Bücherregal und zurück. »Bin durchgefallen«, sagte er leise.
    Siegfried zeigte keine Reaktion. Er suchte weiterhin geduldig nach einem Buch, nahm ab und zu einen Band heraus, warf einen Blick darauf und stellte ihn wieder ins Regal. Schließlich gab er die Suche auf, lehnte sich mit hängenden Armen in seinem Stuhl zurück und sah Tristan an. »In Pathologie bist du also durchgefallen«, sagte er im Konversationston.
    Mit leicht hysterisch klingender Stimme plapperte ich: »Ach, das ist nicht weiter schlimm, wissen Sie. Er kommt auf jeden Fall ins Abschlußjahr hinein und kann sich Weihnachten in Pathologie prüfen lassen. Er verliert keine Zeit, und Pathologie ist nun mal eine schwierige Materie.«
    Siegfried warf mir einen kalten Blick zu. »Ihrer Meinung nach ist das alles nicht weiter schlimm.« Dann folgte ein langes Schweigen. Plötzlich brüllte er unerwartet heftig los. »Ich denke nicht so. Ich finde, es ist eine Katastrophe. Eine verdammte Schande, jawohl! Was zum Teufel hast du das ganze Semester getrieben? Gesoffen, den Weibern nachgestellt, mein Geld ausgegeben – alles, nur nicht gearbeitet. Und du hast auch noch die Frechheit, mir seelenruhig zu erzählen, daß du in Pathologie versagt hast. Stinkfaul bist du, da liegt der Hase im Pfeffer!«
    Er war nicht wiederzuerkennen. Sein Gesicht war dunkelrot, seine Augen funkelten wütend. »Aber jetzt reicht’s mir«, schrie er. »Ich denke nicht daran, mich abzurackern, damit du in aller Gemütlichkeit faulenzen kannst. Jetzt ist Schluß. Ich schmeiß dich raus, und zwar sofort und für immer, ist das klar? Scher dich zum Teufel – ich will dich nicht mehr sehen. Los, verschwinde!«
    Tristan, der eine Miene gekränkter Würde aufgesetzt hatte, zog sich wortlos zurück. Verlegen sah ich Siegfried an. Sein Gesicht war fleckig; er murmelte vor sich hin und trommelte mit den Fingern auf der Sessellehne.
    Es war mir peinlich, daß ich Zeuge dieser Szene hatte werden müssen, und daher verließ ich mit einem Gefühl der Dankbarkeit das Zimmer, als Siegfried mich zu einem Patienten schickte.
    Bei meiner Rückkehr – es war schon fast dunkel – fuhr ich bis zu dem hinteren Weg und bog von dort aus in den Hof ein. Das Quietschen der Garagentür scheuchte die Krähen in den großen Ulmen auf. Ein schwaches Geflatter, ein gedämpftes Krächzen, dann wurde es wieder still. Plötzlich entdeckte ich eine Gestalt, die in der Dunkelheit auf dem Hof stand und in den Garten blickte. Als die Gestalt sich mir zuwandte, sah ich, daß es Tristan war.
    Wieder wurde ich

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