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Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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einzige Erfahrung mit zuviel Alkohol ließ sie heute nur Mitleid und Anteilnahme für jene empfinden, die diesem Laster verfallen waren. Sie spürte Birgittes Kopfschmerzen noch immer im Hinterkopf, und ihr fiel etwas auf. Es konnte ihr gewiß nicht gefallen, wenn Birgitte sich betrank, aus welchem Grund auch immer, aber ihr konnte auch der Gedanke nicht gefallen, daß jemand überhaupt etwas besser konnte als ihre erste Behüterin. Ein lächerlicher Gedanke. Peinlich. Aber auch befriedigend.
    »Was tut Ihr hier?« fragte er heiser, zuckte dann zusammen und senkte die Stimme. »Es ist mitten in der Nacht.«
    »Es ist Morgen«, sagte Nynaeve scharf. »Erinnert Ihr Euch nicht daran, mit Birgitte gesprochen zu haben?«
    »Könntet Ihr etwas leiser sprechen?« flüsterte er und schloß die Augen. Im nächsten Moment öffnete er sie ruckartig wieder. »Birgitte?« Er setzte sich jäh auf und schwang die Beine aus dem Bett. Eine Zeitlang saß er nur da, blickte zu Boden, die Ellbogen auf den Knien, während das Medaillon von dem Band um seinen Hals herabhing. Schließlich wandte er den Kopf und sah sie kläglich an. Oder zumindest erweckten seine Augen diesen Eindruck. »Was hat sie Euch erzählt?«
    »Sie hat uns Eure Forderungen mitgeteilt, Meister Cauthon«, sagte Elayne förmlich. So mußte es sich anfühlen, wenn man vor dem Henker stand. Sie konnte nur den Kopf hoch erhoben halten und eine möglichst stolze Miene bewahren. »Ich möchte Euch von Herzen für die Rettung aus dem Stein danken.« So, sie hatte begonnen, und es hatte nicht weh getan. Nicht sehr.
    Nynaeve stand finster dreinblickend da und preßte die Lippen immer fester zusammen. Die Frau würde ihr dies nicht allein überlassen. Elayne umarmte die Quelle, bevor sie darüber nachgedacht hatte, und lenkte einen kleinen Strang Luft, der Nynaeves Ohrläppchen wie mit einem schnippenden Finger einen leichten Schlag versetzte. Sie hob ruckartig eine Hand zum Ohr und blickte noch finsterer drein, aber Elayne wandte sich nur kühl wieder Meister Cauthon zu und wartete.
    »Ich danke Euch ebenfalls«, murmelte Nynaeve schließlich mürrisch. »Von Herzen.«
    Elayne rollte wider Willen die Augen. Nun, er hatte sie gebeten, leiser zu sprechen, aber dennoch schien er sie gehört zu haben. Seltsamerweise zuckte er verlegen die Achseln.
    »Oh, das. Das war nichts. Wahrscheinlich hättet Ihr Euch bald darauf auch ohne meine Hilfe befreit.« Er ließ den Kopf auf die Hände sinken und preßte sich erneut das feuchte Tuch auf die Augen. »Könntet Ihr Caira beim Hinausgehen bitten, mir etwas gewürzten Wein zu bringen? Sie ist ein schlankes Mädchen, hübsch, mit herzlichem Blick.«
    Elayne zitterte. Nichts? Der Mann forderte eine Entschuldigung, sie erniedrigte sich so weit, sie auszusprechen, und jetzt war es nichts? Er verdiente keinerlei Mitgefühl! Sie hielt noch immer Saidar fest und erwog, ihn mit einem weitaus stärkeren Strang als bei Nynaeve zu schlagen. Nicht daß es etwas nützte, solange er den Fuchskopf trug. Andererseits hing dieser lose herab, berührte ihn nicht. Bot er noch Schutz, wenn dem so war?
    Nynaeve beendete Elaynes Überlegungen, indem sie mit gespreizten Fingern auf Mat zusprang. Elayne gelang es, zwischen die beiden zu treten und die andere Frau an den Schultern zu packen. Einen Augenblick lang standen sie, abgesehen von ihrer Körpergröße, Nase an Nase. Schließlich entspannte sich Nynaeve mit verzogenem Gesicht, und Elayne spürte, daß sie die Frau loslassen konnte.
    Der Mann hielt den Kopf noch immer gesenkt und hatte nichts bemerkt. Ob ihn das Medaillon schützte oder nicht - sie hätte sich seinen Bogen aus der Ecke schnappen und ihn damit schlagen mögen, bis er schrie. Sie spürte Röte in ihre Wangen steigen: Sie hatte Nynaeve daran gehindert, alles zu verderben, und dachte nur daran, es selbst zu tun. Schlimmer noch - sie erkannte an dem spöttischen, selbstzufriedenen Lächeln Nynaeves, daß sie ihre Gedanken sehr wohl erahnte.
    »Da ist noch etwas, Meister Cauthon«, verkündete Elayne und straffte die Schultern. Das Lächeln verschwand von Nynaeves Gesicht. »Wir möchten uns auch dafür entschuldigen, daß wir es so lange hinausgezögert haben, Euch unseren wohlverdienten Dank auszusprechen. Und wir entschuldigen uns ... demütig...« Darüber geriet sie ein wenig ins Stottern. »...dafür, wie wir Euch seither behandelt haben.« Nynaeve streckte flehentlich eine Hand aus, die Elayne mißachtete. »Um Euch die Tiefe unseres

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