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Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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steckte es mit zahnlosem Grinsen unter seinen zerrissenen Umhang und wartete weiter. Der Himmel war noch immer grau, aber der Tag versprach sengend heiß zu werden. Es war heute morgen schwierig, sich ausreichend zu konzentrieren, um die Hitze nicht als unangenehm zu empfinden.
    Die letzten Überreste von Birgittes durch den Kater verursachten Kopfschmerzen pochten noch in ihrem Hinterkopf. Wenn sich ihre bescheidene Fähigkeit zu Heilen nur nicht als so gering erwiesen hätte. Sie hoffte, daß Aviendha und Birgitte in ihren TrugbildVerkleidungen heute morgen etwas Nützliches über Carridin erfahren konnten. Nicht, daß Carridin eine von ihnen auch nur von einem Schuster hätte unterscheiden können, aber es war besser, vorsichtig zu sein. Sie war stolz darauf, daß Aviendha nicht verlangt hatte, hierher mitzukommen, sondern über den Vorschlag sogar überrascht gewesen war. Aviendha glaubte nicht daß sie jemanden brauchte, der auf sie aufpaßte oder sicherstellte, daß sie etwas Nützliches tat.
    Sie richtete seufzend ihr Gewand, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. In diesem Kleid in Blau und Creme, mit etwas ebenfalls cremefarbener Vandalra-Spitze, fühlte sie sich ein wenig ... ungeschützt. Nur als sie und Nynaeve mit dem Meervolk nach Tanchico reisten, hatten sie es verschmäht, die örtliche Mode zu tragen, aber die Ebou-Dari-Mode war auf ihre sehr eigene Art fast... Sie seufzte erneut. Sie versuchte gerade, Zeit zu schinden. Aviendha hätte mitkommen und sie an der Hand führen sollen.
    »Ich werde mich nicht entschuldigen«, sagte Nynaeve plötzlich über ihre Schulter. Sie umklammerte ihre grauen Röcke mit beiden Händen und starrte zur Wanderin, als warte Moghedien selbst in dem Gasthaus. »Ich werde es nicht tun!«
    »Du hättest doch Weiß tragen sollen«, murmelte Elayne und erntete damit einen mißtrauischen Seitenblick. Kurz darauf fügte sie hinzu: »Du sagtest, es sei die Farbe für Begräbnisse.« Nynaeve nickte zufrieden, obwohl Elayne das nicht hatte bewirken wollen. Dies würde mißlingen, wenn sie keinen Frieden untereinander halten konnten. Birgitte hatte heute morgen einen Kräuteraufguß bereiten lassen, eine besonders bittere Mischung, weil Nynaeve behauptet hatte, sie sei nicht zornig genug, die Macht zu lenken. Weiterhin hatte sie sich höchst dramatisch darüber ausgelassen, daß Begräbnis-Weiß die einzige passende Farbe sei, hatte darauf bestanden, nicht mitzukommen, bis Elayne sie aus dem Zimmer zerrte, und hatte mindestens zwanzig Mal verkündet, sie würde sich nicht entschuldigen. Der Friede mußte gewahrt werden, aber... »Du hast zugestimmt, Nynaeve. Nein, ich will nichts mehr davon hören, daß wir anderen dich tyrannisieren. Du hast zugestimmt. Also hör auf zu schmollen.«
    Nynaeves Augen weiteten sich vor Zorn. »Schmollen?« wiederholte sie leise. »Darüber müssen wir ausführlich reden, Elayne. Wir brauchen uns nicht zu beeilen. Es muß tausend Gründe geben, warum dies nicht gelingen will, Ta'veren oder nicht Ta'veren, und Mat Cauthon vereinigt neunhundert dieser Gründe in sich.«
    Elayne sah sie gleichmütig an. »Hast du heute morgen freiwillig die bittersten, wirksamsten Kräuter gewählt?« Großäugiger Zorn verwandelte sich in großäugige Unschuld, aber Nynaeves Wangen röteten sich. Elayne stieß die Tür auf, und Nynaeve folgte ihr murrend. Elayne wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie auch noch die Zunge herausgestreckt hätte.
    Der Duft frischgebackenen Brotes schwebte von den Küchen heran, und alle Fensterläden waren geöffnet, um den Schankraum zu lüften. Ein Schankmädchen mit rundlichen Wangen stand auf Zehenspitzen auf einem hohen Stuhl, um verstaubte Immergrünzweige über den Fenstern abzunehmen, während andere die Tische, Bänke und Stühle wieder zurückstellten, die für den Tanz fortgeräumt worden waren. So früh war niemand sonst hier, bis auf ein mageres Mädchen mit einer weißen Schürze, die halbherzig den Boden fegte. Sie wäre vielleicht hübsch gewesen, wenn sie ihren Mund nicht ständig schmollend verzogen hätte. Es herrschte überraschend wenig Unordnung, wenn man bedachte, daß es in Wirtshäusern während der Feierlichkeiten angeblich zügellos und sogar unzüchtig zuging. Beinahe wünschte sich Elayne jedoch, sie hätte es sehen können.
    »Könntet Ihr mich zu Meister Cauthons Räumen führen?« fragte sie das magere Mädchen lächelnd und hielt ihr zwei Silbermünzen hin. Nynaeve schnaubte.
    Das Mädchen betrachtete sie

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