Der Dolchstoss
sollen wir Euch folgen? Wenn ich mir die Frage erlauben darf?« Nichts davon klang sarkastisch. Wenn überhaupt etwas, dann war ihr Tonfall höflicher, als Elayne ihn bisher bei ihr erlebt hatte.
Sie dachte, jede jemals lebende Aes Sedai wäre stolz, wenn sie ihre Miene so gut unter Kontrolle hätte wie sie gerade. Sie wollte nur, daß sie als wahre Aes Sedai anerkannt wurde. Sie bekämpfte den kurzzeitigen Drang zu widersprechen, sie sei zu jung, zu unerfahren.
Sie atmete tief ein und lächelte herzlich. »Das erste, woran wir uns erinnern müssen, ist, daß wir alle Schwestern sind, in jeglicher Bedeutung des Wortes. Wir müssen zusammenarbeiten. Die Schale der Winde ist zu bedeutsam, als daß es weniger sein dürfte.« Sie hoffte, daß sie alle auch noch ebenso begeistert nicken würden, wenn sie ihnen erzählte, was Egwene beabsichtigte. »Vielleicht sollten wir uns wieder hinsetzen.« Alle warteten, bis sie saß, bevor sie selbst sich wieder niederließen. Elayne hoffte, daß Nynaeve auch nur annähernd so gut zurechtkam. Wenn sie dies herausfände, würde sie vor Schreck ohnmächtig werden. »Ich habe Euch auch etwas über die Schwesternschaft zu sagen.«
Sehr bald war es Merilille, die vor Schreck ohnmächtig zu werden schien, und selbst Adeleas und Vandene waren nicht weit davon entfernt. Aber sie sagten weiterhin: »Ja, Elayne« und »Wenn Ihr es sagt, Elayne«. Vielleicht würde von jetzt an alles reibungslos verlaufen.
Die Sänfte schwankte durch die Menge von Feiernden entlang des Kais, als Moghedien die Frau erblickte. Ein Diener in Grün und Weiß half ihr an einer der Bootsanlegestellen aus einer Kutsche. Eine weiße Federmaske bedeckte ihr Gesicht vollkommener als Moghediens Maske das ihre, aber sie hätte diesen entschlossenen Schritt, diese Frau, aus jedem Blickwinkel bei jedem Licht erkannt. Das geschnitzte Gitterwerk, das die in der geschlossenen Sänfte als Fenster diente, hinderte sie gewiß ebenfalls nicht daran. Zwei Burschen mit Schwertern an der Hüfte kletterten vom Kutschendach herab und folgten der maskierten Frau.
Moghedien schlug mit der Faust gegen die Seite der Sänfte und schrie: »Halt!« Die Träger hielten so jäh an, daß sie fast nach vorn fiel.
Die Menge drängte vorüber, wobei einige ihre Träger mit Flüchen bedachten, weil sie den Weg versperrten, und andere eher humorvolle Bemerkungen machten. Hier unten am Fluß war die Menge weniger dicht, so daß sie durch die Lücken hinweg weiterhin beobachten konnte. Das Boot, das gerade ablegte, war recht auffällig. Das Dach der niedrigen Kabine im hinteren Teil des Bootes war rot bemalt. Sie bemerkte diese Vorliebe an keinem der anderen Boote, die an dem langen Kai warteten.
Sie benetzte zitternd ihre Lippen. Moridins Anweisungen waren sehr genau gewesen und der Preis für Versagen qualvoll deutlich gemacht worden. Aber eine kleine Verzögerung würde nichts schaden. Jedenfalls dann nicht, wenn er niemals davon erfuhr.
Sie öffnete schwungvoll die Tür, stieg aus und sah sich hastig um. Dort, dieses Gasthaus, von dem aus man die Docks überblicken konnte. Und den Fluß. Sie hob ihre Röcke an und eilte davon, ohne die geringste Befürchtung zu hegen, daß jemand ihre Sänfte mieten könnte. Bis sie das sie umgebende Zwangsgewebe löste, würden die Träger jedermann, der fragte, sagen, sie seien besetzt, und dort stehenbleiben, bis sie Hungers starben. Ein Pfad eröffnete sich vor ihr, da Männer und Frauen in Federmasken beiseite sprangen, bevor sie sie erreichte, und sich schreiend die Körperstellen hielten, wo sie einen Stich gespürt zu haben glaubten. Was auch geschehen war, da keine Zeit war, so viele Geister mit komplizierten Geweben zu binden, aber ein aus Luft gewobener Nadelschauer tat hier denselben Dienst.
Die stämmige Wirtin des Ruderers Stolz sprang beim Anblick der ihren Schankraum in prächtiger scharlachroter, mit Goldfäden durchwirkter Seide und schwarzer Seide, die beinahe ebenso üppig glänzte wie das Gold, betretenden Moghedien fast ebenfalls beiseite. Moghediens Maske war ein gewaltiger Sprühregen pechschwarzer Federn mit einem scharfen, schwarzen Schnabel: ein Rabe. Das war Moridins Scherz, auf seinen Befehl hin trug sie die Maske und tatsächlich auch das Gewand. Seine Farben seien Schwarz und Rot, hatte er gesagt, und sie würde sie tragen, solange sie ihm diente. Sie war in Livree, wie geschmackvoll auch immer diese gearbeitet war, und sie hätte jedermann töten mögen, der sie sah.
Statt
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