Der Domino-Killer
wollten sie noch vor der Geburt des Babys machen. Kurz bevor wir von New York aufgebrochen waren, wo wir jetzt zusammen lebten, hatten wir herausgefunden, dass es ein Junge werden würde. Ich hatte es zwar noch nicht verkündet, aber schon fest beschlossen, dass er Seamus heißen sollte – nach einem wunderbaren Mann.
Ich stand auf. Streckte in der heißen Sonne meine Arme aus. Obwohl ich mich mit viel Sonnenmilch eingecremt hatte, wurde meine Haut rot. Die trockene Luft hier war angenehm, aber wir hatten festgestellt, dass man dabei nicht merkte, wie ungeheuer heiß es wirklich war. Gegen Mittag hatten wir an den letzten Tagen den Strand bereits verlassen und dann im Schatten vor einer Taverne zu Mittag gegessen, um danach in unserem Zimmer ein bisschen zu schlafen.
Wo steckte er denn? Ich sehnte mich danach, meinen Badeanzug abzustreifen und mich im Meer abzukühlen, wollte aber nicht, dass er herkam und meine Liege leer vorfand. Jetzt hatte ich allerdings keine Lust mehr, noch länger zu warten.
Ich ließ meine Sachen liegen und ging zum abgelegensten Ende der Bucht, wo eine Felsformation eine natürliche Mauer bildete. Dahinter lag ein kleiner Strand, der auf der einen Seite durch die Felsen, auf der anderen durch dichtstehende Bäume vor Blicken geschützt war. Ich war im Moment zwar allein hier, aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte es nichts ausgemacht: Es war einer der ausgewiesenen Nacktbadestrände der Insel. Ich schob die Halter meines Badeanzugs herunter, zog einen Arm heraus, dann den anderen und schälte das schwarze Elastan von meiner überhitzten Haut. Den Badeanzug ließ ich im Sand liegen und ging schnell zum Wasser, das meine Sohlen kühlte. Blieb dort stehen, blickte zum Horizont: In der Ferne war wie ein Pinselstrich ein Stück Land zu sehen, das mit dem wolkenlosen blauen Himmel zu verschwimmen schien.
Plötzlich lag eine Hand auf meiner Schulter, und ich zuckte zusammen.
«Ruhig, ich bin es doch nur.»
Ich legte meine Hand auf seine, und unsere noch ganz neuen Eheringe berührten sich. «Ist es nicht schön hier?»
«Wunderschön.»
Er küsste meinen Hals, und ich drehte mich um. Sein Teint war tiefdunkel; dunkelblaue Augen im braunen Gesicht. Ich küsste ihn.
«Zieh dich aus», sagte ich.
Die Andeutung eines Lächelns. «Ich bin kein Exhibitionist.»
«Wir sind jetzt verheiratet, ich muss wissen, wie du aussiehst.»
Seit einem Jahr versteckte er seine Narben vor mir, weil er Angst hatte, ich könnte ihn nicht mehr begehrenswert finden, wenn ich sehen würde, dass Christa Maxtor mit ihrer Dornen-Hängematte ein Nadelkissen aus seinem Körper gemacht hatte. Seitdem hatte er nie wieder sein T-Shirt vor mir ausgezogen, nicht einmal, wenn wir uns liebten; doch meine Fingerspitzen hatten seinen Körper erkundet. Ich wusste, dass er viele Narben hatte, dass seine einst weiche Haut ihn nun immer an das Verbrechen erinnern würde.
«Es wird hart für dich», sagte er.
«Das macht mir nichts.»
Er sah mir in die Augen und wusste, dass ich es wirklich so meinte. Dann zog er das Hemd aus und warf es neben uns in den Sand. Schüttelte die Sandalen von den Füßen. Knöpfte die Jeans auf, ließ sie herunterrutschen. Zog die Unterwäsche aus.
Da stand er nackt in der Sonne, und ich sah seine blasse, zerstörte Haut.
Seine Brust war mit abgeheilten weißen Narben übersät, lange und kurze Risse waren genäht worden, wie man erkennen konnte. Einige waren gut geheilt, andere schlecht. Erstaunlicherweise war die kleine Dahlie unter seinem Schlüsselbein unversehrt geblieben; ein Zeichen dafür, dass man Unschuld nie vollkommen auslöschen konnte. Er zeigte mir seinen Rücken. Dann drehte er sich wieder zu mir und sah mich an.
«Du hattest recht», sagte ich. «Es ist hart, das zu sehen.»
«Habe ich doch gesagt.» Er bückte sich und griff nach seinen Sachen.
Ich hielt seinen Arm fest. «Lass sie liegen.»
«Karin …»
«Nein, Mac, es ist alles in Ordnung. Ich liebe dich.» Ich hielt meine Hand an seine Wange.
«Weißt du, was mir Sorgen macht?», fragte er. «Ich weiß nicht, wie ich diesen hässlichen Anblick vor ihm verstecken soll.» Er deutete auf meinen Bauch. Unseren Sohn.
«Wir werden schon eine Lösung finden. Vielleicht sollten wir ihm die Wahrheit erst sagen, wenn er älter ist.»
«Oder auch nie. Sonst stirbt er noch vor Angst.»
«Er wird ein eigenständiger Mensch werden. Irgendwann muss er es erfahren.»
«Karin.» Mac machte einen Schritt auf
Weitere Kostenlose Bücher