Der Domino-Killer
schlimmste Gefahr für unschuldige Mitbürger, der sie je begegnet war, und gab ihm lebenslänglich, insbesondere wegen der Morde an Jackson und Cece Schaeffer, meinem Mann und meiner drei Jahre alten Tochter. Davor hatte es noch andere gegeben, aber es war der Mord an meiner Familie, der JPP für immer hinter Gitter brachte.
«Er ist gestern Nacht ausgebrochen. Ihre alte Einheit in Jersey hat mich angerufen – mich gebeten, Sie aufzusuchen. Irgendwie ist niemand rangegangen, als die bei Ihnen angerufen haben.»
«Tja», sagte ich, «dann danke für die Mitteilung, falls man das in diesem Fall überhaupt sagen kann.» Ich wollte in meine Wohnung. Wollte in die Kühle meines Zuhauses. Wollte süßen Eistee. Aber Detective Staples war noch nicht fertig.
«Er hat eine Nachricht für Sie hinterlassen.»
«Eine Nachricht?» Bitte nicht. Nicht noch einmal eine Nachricht von Martin Price.
«Na ja, so eine Art Nachricht jedenfalls.»
Ich sah es schon genau vor mir, wusste bereits Bescheid.
«Auf seiner Matratze hat man drei Dominosteine gefunden: drei, fünf und eins.»
Pacific Street 351, Brooklyn, New York, die Anschrift meiner Wohnung. Kein Vergleich mit dem Haus in New Jersey, in dem ich mit Jackson und Cece gewohnt hatte. Und ein vollkommen anderes Leben. Unser Haus war so hübsch gewesen, grüne Fensterläden und eine Veranda davor, wo wir zusammen gesessen und Cece beim Spielen zugeschaut hatten. Noch immer konnte ich vor mir sehen, wie sie über den mit Löwenzahn gesprenkelten Rasen auf mich zugelaufen kam, mit nackten Beinen, in einem karierten Sommerkleidchen, ihre braunen Locken hüpften um ihr pausbäckiges Engelsgesicht. «Mami, fang mich!», rief sie dabei.
«Und er hat Ihnen noch eine weitere Nachricht hinterlassen», sagte Bill mit leiserer, sanfterer Stimme, was mir verriet, dass er mir das jetzt lieber nicht erzählen würde.
Ich schloss die Augen. Sah noch einmal die letzte Nachricht vor mir, die er mir vor fast einem Jahr hinterlassen hatte, mit Lippenstift hatte er es auf den Badezimmerspiegel geschrieben: Du bist die Nächste . Nur war es gar kein Lippenstift. Es war das Blut meiner Tochter gewesen.
«Da stand ‹Bis bald›.»
«Wessen Blut war es diesmal?»
«Sein eigenes. Er hat sich wohl selbst eine Schnittwunde zugefügt. Wahrscheinlich musste er sich irgendwo Verbandszeug stehlen, daher lassen wir gerade die Aufnahmen der Überwachungskameras von sämtlichen örtlichen Apotheken überprüfen.»
Ich nickte. Das war der logische nächste Schritt. Aber wie ich JPP kannte, hatte er seine Wunde inzwischen versorgt und war verschwunden. Darin war er beängstigend gut. JPPs Spezialität war es, eine ganze Familie der Reihe nach umzulegen.
Er hatte bereits fünf Mitglieder einer Familie ermordet. Die Aldermans hatten in Maplewood, New Jersey, gelebt, meiner alten Ecke. Nach den ersten drei Morden wurde dann langsam klar, was die Dominosteine zu bedeuten hatten, die JPP uns hinterließ. Ihre Zahlen waren Hinweise. Das Problem dabei war, sie richtig zu deuten, bevor er wieder zuschlug. Das FBI und meine Abteilung waren schon ein Jahr lang an dem Fall dran gewesen, bevor ich zur SOKO dazustieß.
Ich war gerade zum Detective befördert worden, als ich JPP mehr oder weniger durch Zufall aufspürte. Eigentlich wäre ich niemals auf die Idee gekommen, in einem der riesigen Benzintanks hinterm Highway nachzusehen. Hatte gar nicht gewusst, dass einige davon manchmal leer standen. Wir hatten einen Tipp bekommen und durchkämmten die Gegend, dabei hörte ich ein hallendes Geräusch, das klang, als käme es aus dem Inneren des Tanks. Ich stieg die Leiter an dessen Seite hinauf, und da war er, ganz unten auf dem Boden, lag auf der Seite und schlief mit geballten Fäusten, wie Cece es als Baby getan hatte. Wie er inmitten dieser Schwaden von Benzingas schlafen konnte, hatte ich nie begriffen. Doch da lag er, Übermensch, Unmensch oder auch beides auf einmal.
Weil ich ihn entdeckt hatte, wurde ich zum Hauptgegenstand seiner Phantasien und Pläne und meine Familie zu seinem nächsten Ziel – obwohl ich das damals noch nicht ahnte. Jeder andere hätte es einfach nur für einen Zufall gehalten, aber für JPP gab es da irgendeinen verrückten tieferen Sinn.
Zwei Monate nach seiner Festnahme flüchtete er aus dem Transportbus des Gefängnisses, als man ihn ins Gericht bringen wollte, um ihm die Anklageschrift zu verlesen, Mordverdacht in fünf verschiedenen Fällen. Mit einem selbstgebastelten
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