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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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war etwas anderes. Aber nicht die Brüder und Schwestern aus dem Orden, die kaum über mehr Besitz verfügten als die Elendsbevölkerung, denen sie half.
    Adrian und Ion waren den Leuten aus dem Kloster oft zur Hand gegangen, vor allem, wenn wieder einer dieser Hilfstransporte aus Deutschland ankam. In jenem Land mussten Milch und Honig fließen, wenn man es sich erlauben konnte, so viele Sachen nach Rumänien zu schicken, hatten sie damals gedacht.
    Und dann war mit einem dieser Transporte dieser Mann gekommen, der gefragt hatte, ob sie nicht Lust hätten, in Deutschland zu arbeiten. Natürlich, endlich bestand die große Chance, dieses Paradies mit eigenen Augen zu sehen. Begeistert hatten Adrian und Ion zugesagt, erst später hatten sie erfahren, dass sie keinen richtigen Job bekommen, sondern bei Einbrüchen und Überfällen mitmachen sollten. Aber konnten sie den Deutschen, die ja immer so nett zu ihnen gewesen waren, das wirklich antun?
    Nach einer Woche in Deutschland waren ihre Bedenken vergessen gewesen. Dieses ach so freundliche Volk lebte in einem Luxus, den Adrian sich nicht hatte vorstellen können, aber entgegen seiner bisherigen Meinung waren die Deutschen ganz und gar nicht bereit, ihn freiwillig daran teilhaben zu lassen. Regelmäßig hörte er Beschimpfungen und spürte die misstrauischen Blicke, wenn er die schäbige Pension, die ihre erste Anlaufstelle hier in Deutschland gewesen war, verließ, und die Skrupel verschwanden.
    Nach Ablauf der ersten Woche wurden sie getrennt, Adrian kam zu Kamarovs Gruppe, sein Bruder wurde fast an das andere Ende von Deutschland verfrachtet. Sie trauten sich nicht, dagegen zu protestieren, obwohl zuvor nie die Rede davon gewesen war, dass sie nicht zusammenbleiben konnten.
    Schließlich begann Adrian seine Arbeit, im Prinzip machte er das Gleiche, was er früher auch in seiner Heimat gemacht hatte. An Autos herumbasteln, stehlen, einbrechen, nur in einem anderen Stil. Und wesentlich einträglicher. War er früher für Lebensmittel irgendwo eingebrochen, ging es nun darum, großes Geld zu verdienen. In dem Briefumschlag in seinem Kopfkissenbezug hatte er schon fast fünftausend Euro gespart, für rumänische Verhältnisse ein beachtliches Vermögen.
    Die Paste war gut, während er sie mit einer harten Nagelbürste verrieb, verfolgte er, wie seine Finger sauber wurden. Jetzt noch ein Sprung unter die Dusche – was für ein unglaublicher Luxus, eine Dusche in einem Auto –, und dann ab auf die Matratze. Die kommende Nacht versprach, sehr anstrengend zu werden.

4
     
     
     
    »Möchtest du auch noch etwas Wein?«
    Ulli Zander sah seine Verlobte fragend an und wartete auf eine Reaktion. Katharina Thalbach machte sich auf der poppig bunten Auflage der Gartenliege lang und gähnte.
    »Gern. Aber nur ein halbes Glas bitte.«
    »Kommt sofort«, lächelte der auf die vierzig zugehende Sozialarbeiter und verschwand in der Wohnung.
    Katharina stellte die Lehne ihrer Liege fast senkrecht, zog die Knie an und grabschte sich von dem kleinen Plastiktischchen ihre Zigarettenschachtel. Als ein Stängel brannte, nahm sie den Kugelschreiber und fügte der Liste ihres täglichen Nikotinkonsums einen weiteren Strich hinzu. Bisher lag sie bei acht Stück; stramme Leistung, vielleicht schaffte sie es heute ja, unter ihrem streng gesetzten Limit von zehn Kippen pro Tag zu bleiben. Genussvoll zog sie den Qualm in ihre Lungen, hielt für einige Sekunden die Luft an und stieß den Rauch dann langsam wieder aus. Dabei glitt ihr Blick über die Ruhrwiesen, die sich an ihren Garten anschlossen.
    »So, die Dame, einmal den lieblichen Mazedonischen«, scherzte Ulli, als er wieder auf die Terrasse trat. »Kommt das alles auf einen Deckel?«
    »Okay, ich bin heute großzügig. Bist eingeladen.«
    Ulli legte sich ebenfalls wieder hin und nahm einen großen Schluck von dem leicht süßlichen Rotwein.
    »Ist schon ein geiles Gefühl, dass uns die Hütte jetzt gehört, was?«, bemerkte er, nachdem auch seine Lieblingszigarettenmarke die Abendluft verpestete.
    »Schon. Aber um Oma Herbold tut es mir leid. War eine nette alte Dame.«
    »Selbstredend. Aber sie ging langsam auf die neunzig zu. Ich wäre froh, wenn ich genauso lange so fit bleiben würde. Und wenigstens ging es schnell.«
    »Trotzdem, sie wird mir fehlen.«
    Vor vier Wochen war die alte Frau, die in der Wohnung unter der ihren gewohnt hatte, plötzlich verstorben. Kurz nachdem Katharina und Ulli vor Jahren die hundertdreißig

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