Der Dominoeffekt
unübersichtlichen Stelle. Dort schaffte ich ihn aus dem Weg.«
»Am Refektorium«, nickte Lübbehusen.
»Genau. Erst durch Sie erfuhr ich davon, dass es Vollmert gar nicht auf mich abgesehen hatte. Und dass er in Geldern Fresenius entdeckte, war ein reiner Zufall.«
»Und der Russe?«
»Das ist doch wohl klar. Kamarov war drauf und dran, alles auszuplaudern. Wir mussten schnell handeln, uns blieb doch gar keine andere Wahl. Und da ich mich in dem Krankenhaus sehr gut auskenne, habe ich das übernommen.«
»Aber wieso machen Sie da überhaupt mit?«, fragte Wielert. »Sie haben es doch nicht nötig, krumme Dinger zu drehen.«
Van der Felde lachte freudlos auf. »Haben Sie eine Ahnung! Ich habe, vor etwa zehn Jahren, fast mein gesamtes Vermögen an der Börse verloren. Und bevor auch meine Immobilien und Ländereien an die Bank fielen, habe ich mir eine andere Einnahmequelle gesucht. Wegen der Nähe zu den Niederlanden drängte es sich quasi auf, den finanziellen Engpass mit Drogengeschäften zu überbrücken.«
»Und wie kam Fresenius ins Spiel?«
»Wir kennen uns seit über vierzig Jahren, er stammt ebenfalls aus dieser Gegend. Sein Vater hat für meinen Vater gearbeitet. Natürlich hatten wir uns aus den Augen verloren, doch dann übernahm er die Ermittlungen wegen des Drogenschmuggels. Als er herausfand, dass ich dahintersteckte, hat er mich zur Rede gestellt. Ich bot ihm eine Art… Schweigegeld an.«
»Und das hat er angenommen?«, wunderte sich Wielert.
»Wissen Sie nicht, dass er spielt? Und dass er eine Vorliebe für schnelle Autos und teure Frauen hat?«
Lübbehusen sah fragend zu Wielert, doch der schüttelte unmerklich den Kopf. In den Informationen, die das BKA herausgerückt hatte, war nichts darüber zu finden gewesen.
»Bis dahin hatte er nur kleine Dinger gedreht«, fuhr van der Felde fort, »zusammen mit seinem Neffen. Hier mal ein paar Drogen konfisziert und auf eigene Rechnung verkauft, mal Falschgeld, mal irgendwelche Hehlerware. Durch meine Kontakte zu den Holländern konnten die beiden endlich im großen Stil mitspielen. Und nach und nach haben wir dann ein europäisches Netzwerk aufgebaut.«
»Entschuldigung, aber Sie sagten gerade, zusammen mit seinem Neffen?«, hakte Katharina nach.
»Natürlich. Dehrendorf.«
»Bitte? Die waren miteinander verwandt?«
»Sicher. Fresenius’ ältere Schwester war dreimal verheiratet, aus einer dieser Ehen entsprang nun mal ein Sprössling.«
Wielert kratzte sich nachdenklich an den Augenbrauen. Unvorstellbar, was sich da jahrelang quasi direkt unter der Nase des BKA abgespielt hatte. Und dass niemand wusste, dass zwischen Fresenius und Dehrendorf verwandtschaftliche Beziehungen existierten, war ebenfalls unverzeihlich.
»Ich glaube, wir machen auf dem Präsidium weiter«, erklärte Lübbehusen und sah van der Felde fordernd an. »Möchten Sie noch ein paar Sachen holen?«
»Gern.«
»Dann machen Sie das. Zwei meiner Kollegen werden Sie begleiten.« Dabei nickte er den beiden Uniformierten zu, die sich neben der Hautür aufgebaut hatten.
»Nun müssen in Wiesbaden aber tatsächlich Köpfe rollen«, meinte Katharina, als van der Felde samt Begleitung in seinem Schlafzimmer verschwunden war. »Was die alles nicht wussten und nicht gemacht haben… Unglaublich.«
»Und das Schlimmste ist«, überlegte Wielert, »wenn dieser Wachmann in Bochum nicht überraschend eine andere Tour bekommen hätte, hätte das noch ewig weitergehen können. Dann hätte der Russe nicht diesen Rumänen gekillt, Fresenius wäre in Geldern niemals Vollmert über den Weg gelaufen… Ist schon irre, wie das Eine das Andere bedingte.«
»Amen«, seufzte Hofmann und griff nach seiner Pfeife. Doch er kam nicht dazu, ein Streichholz anzureißen. Ein dröhnender Knall ließ sie zusammenzucken. Gleich darauf waren verärgerte Schreie zu hören.
»Scheiße!«, entfuhr es Lübbehusen ahnungsvoll. Er rannte durch die Wohnhalle. Weit kam er nicht. Einer der beiden Uniformierten näherte sich mit betretenem Gesicht und versperrte ihm den Weg.
»Was ist los?«, brüllte Wielert.
»Herr van der Felde…«, stammelte der Bereitschaftspolizist. »Er hatte plötzlich eine Pistole in der Hand… wir konnten nichts machen.«
»Mann, kommen Sie zur Sache! Lebt er noch?«
Der Beamte schüttelte den Kopf.
59
Es war einfach unbeschreiblich.
Katharina gab sich ganz ihren Empfindungen hin, ließ sich treiben, gehorchte allein ihren Instinkten. Ihre Schultern pressten
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