Der Doppelgänger
verschiedenartigenGerümpels aufgehäuft, das den Mietern gehörte, so daß ein ortsunkundiger Fremder, der im Dunkeln auf diese Treppe geriet, wohl eine halbe Stunde gebrauchte, um sich hinaufzuarbeiten, Gefahr lief, sich die Beine zu brechen, und zugleich mit der Treppe auch seine Bekannten verwünschte, die in einem so gräßlichen Hause Wohnung genommen hatten. Aber Herrn Goljadkins Gefährte schien gut bekannt und ein Hausangehöriger zu sein; er lief, ohne Schwierigkeiten zu finden, behende und mit völliger Ortskenntnis hinauf. Herr Goljadkin hatte ihn beinah ganz eingeholt; zwei- oder dreimal schlug ihm sogar der Saum des Mantels des Unbekannten an die Nase. Sein Herzschlag drohte auszusetzen. Der geheimnisvolle Mensch blieb gerade vor der Tür zu Herrn Goljadkins Wohnung stehen, klopfte, und (was übrigens zu anderer Zeit Herrn Goljadkin in Erstaunen versetzt hätte) Petruschka öffnete, wie wenn er gewartet und sich nicht schlafen gelegt hätte, sogleich die Tür und empfing den Eintretenden mit einer Kerze in der Hand. Ganz außer sich lief der Held unserer Erzählung in seine Wohnung hinein; ohne Mantel und Hut abzulegen, durchschritt er den Flur und blieb wie vom Donner gerührt auf der Schwelle seines Zimmers stehen. Herrn Goljadkins Ahnungen waren sämtlich in Erfüllung gegangen. Alles, was er befürchtet und vorher vermutet hatte, war jetzt zur vollen Wirklichkeit geworden. Der Atem stockte ihm, der Kopf schwindelte ihm. Der Unbekannte saß vor ihm, ebenfalls in Mantel und Hut, auf seinem eigenen Bette, lächelte leise, kniff die Augen ein wenig zusammen und nickte ihm freundschaftlichzu. Herr Goljadkin wollte aufschreien, aber er konnte es nicht; er wollte irgendwie Einspruch erheben, aber seine Kraft reichte dazu nicht aus. Die Haare auf seinem Kopfe sträubten sich, und er knickte, vor Schreck besinnungslos, da wo er stand, zusammen. Und er hatte auch allen Grund entsetzt zu sein. Herr Goljadkin hatte seinen nächtlichen Freund vollständig erkannt. Sein nächtlicher Freund war kein anderer als er selbst, Herr Goljadkin selbst, ein anderer Herr Goljadkin, aber vollständig derselbe wie er selbst, mit einem Worte, was man nennt, sein Doppelgänger in jeder Beziehung –
6. Kapitel
Am andern Tage, genau um acht Uhr, erwachte Herr Goljadkin auf seinem Bette. All die außerordentlichen Erlebnisse des gestrigen Tages und die ganze unglaubliche, seltsame Nacht mit ihren fast unmöglichen Abenteuern stellten sich sofort mit einem Male seiner Denkkraft und seinem Gedächtnisse dar. Eine derartige grimmige, höllische Bosheit seiner Feinde und namentlich der letzte Beweis dieser Bosheit ließen Herrn Goljadkins Herz zu Eis erstarren. Aber zugleich war dies alles so seltsam, unbegreiflich, absonderlich, es erschien so unmöglich, daß es tatsächlich schwer war, an diese ganze Sache zu glauben; Herr Goljadkin neigte sogar selbst dazu, dies alles für einen wesenlosen Fiebertraum, für eine augenblickliche Verwirrung der Einbildungskraft, für eine Verdunkelung des Verstandes zu halten; aber glücklicherweise wußte er aus eigenerbitterer Erfahrung, wieweit manchmal die Bosheit einen Menschen zu bringen vermag, und wieweit manchmal die Grausamkeit eines Feindes gehen kann, der sich für eine Kränkung seiner Ehre oder seines Ehrgeizes rächen möchte. Dazu kam, daß Herrn Goljadkins wie zerschlagene Glieder, sein benommener Kopf, sein steifes Kreuz und sein bösartiger Schnupfen bestätigendes Zeugnis dafür ablegten, daß es mit der gestrigen nächtlichen Wanderung und dem, was sich bei dieser Wanderung zugetragen hatte, seine Richtigkeit habe. Und schließlich hatte Herr Goljadkin auch schon längst gewußt, daß seine Feinde etwas gegen ihn planten, und daß da noch ein anderer mit ihnen unter einer Decke steckte. Aber was, was hatten sie vor? Nach gründlicher Überlegung entschied sich Herr Goljadkin dafür, zu schweigen, sich zu fügen und vorläufig nicht dagegen zu protestieren. »Vielleicht beabsichtigen sie nur, mich zu erschrecken, und wenn sie sehen, daß ich nicht darauf reagiere, nicht protestiere, sondern mich ganz ruhig verhalte und alles ruhig ertrage, so werden sie auch aufhören, von selbst aufhören und sogar die ersten sein, die aufhören.«
Solche Gedanken gingen Herrn Goljadkin durch den Kopf, als er, sich in seinem Bette ausstreckend und die gelähmten Glieder wieder zurechtbringend, darauf wartete, daß Petruschka wie gewöhnlich ins Zimmer käme. Er wartete schon eine
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