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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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daß er von Ihrem Tische gegessen habe,« antwortete Anton Antonowitsch, den Mund zum Lächeln verziehend, und seinem Tone war eine gewisse Verschmitztheit anzuhören, so daß es Herrn Goljadkin war, als würde ihm ein Stich ins Herz versetzt.
    »Gestatten Sie mir, Sie noch ganz bescheiden zu fragen, Anton Antonowitsch: ist denn all dies Seiner Exzellenz bekannt?«
    »Aber natürlich! Lassen Sie mich aber jetzt in Ruhe; ich habe jetzt für Sie keine Zeit mehr ... Noch heute werden Sie alles erfahren, was Sie zu wissen brauchen.«
    »Erlauben Sie noch einen Augenblick, um Gottes willen, Anton Antonowitsch ...«
    »Sie können es mir ein andermal erzählen ...«
    »Nein, Anton Antonowitsch: ich bin, sehen Sie, hören Sie nur, Anton Antonowitsch ... Ich bin durchaus nicht für die Freigeisterei, Anton Antonowitsch; ich lehne die Freigeisterei ab; ich bin meinerseits völlig bereit ... und es ist mir sogar der Gedanke gekommen ...«
    »Schon gut, schon gut. Ich habe das schon einmal gehört ...«
    »Nein, das haben Sie noch nicht gehört, Anton Antonowitsch. Das ist etwas anderes, Anton Antonowitsch; das ist etwas Gutes, wirklich etwas Gutes und angenehm zu hören ... Es ist mir, wie ich schon gesagt habe, der Gedanke gekommen, Anton Antonowitsch, daß da die göttliche Vorsehung zwei ganz ähnliche Menschen geschaffen und die edeldenkende Behörde im Hinblick auf diese Tat der göttlichen Vorsehung den beiden Zwillingen Obdach gewährt hat. Das ist ein guter Gedanke, Anton Antonowitsch. Sie sehen, daß das ein sehr guter Gedanke ist, Anton Antonowitsch, und daß ich fern von aller Freigeisterei bin. Ich betrachte die edeldenkende Behörde als meinen Vater. Jawohl, die edeldenkende Behörde und Sie, hm... Ein junger Mensch muß ein Amt haben ... Unterstützen Sie mich, Anton Antonowitsch ... treten Sie für mich ein, Anton Antonowitsch ... Ich will weiter nichts ... Anton Antonowitsch, um Gottes willen, nur noch ein Wörtchen ... Anton Antonowitsch ...«
    Aber Anton Antonowitsch war schon weit von Herrn Goljadkin entfernt ... Unser Held wußte nicht, wo er stand, was er hörte, was er tat, was mit ihm geschah, und was mit ihm noch geschehen werde, so hatte ihn alles, was er gehört und erlebt hatte, verwirrt und erschüttert.
    Mit stehenden Blicken suchte er unter der Schar der Beamten nach Anton Antonowitsch, um sich noch weiter vor ihm zu rechtfertigen und ihm etwas sehr Schönes von sich selbst zu sagen: was für ein wohlgesinnter und anständiger Mensch er sei... Indessen begann allmählichein neues Licht durch Herrn Goljadkins Verwirrung hindurchzudringen, ein neues, schreckliches Licht, das ihm plötzlich mit einem Schlage eine ganze lange Reihe völlig unbekannter und sogar nicht einmal geahnter Umstände erhellte ... In diesem Augenblicke stieß jemand unseren ganz fassungslosen Helden in die Seite. Er blickte sich um. Vor ihm stand Pisarenko.
    »Ein Brief, Euer Wohlgeboren!«
    »Ah! ... Du bist schon dagewesen, mein Lieber?«
    »Nein, dieser ist schon heute morgen um zehn hergebracht. Der Kanzleidiener Sergej Michejew hat ihn von der Wohnung des Gouvernementssekretärs Wachramejew hergebracht.«
    »Schön, mein Freund, schön; ich danke dir, mein Lieber.«
    Nachdem Herr Goljadkin dies gesagt hatte, steckte er den Brief in die Seitentasche seines Uniformrocks und knöpfte diesen bis oben hinauf zu; dann blickte er um sich und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß er sich schon im Hausflur des Amtsgebäudes befand, mitten in einem Schwarm von Beamten, die sich zum Ausgang drängten, da die Bureaustunden zu Ende waren. Herr Goljadkin hatte diesen letzteren Umstand bisher nicht bemerkt, ja er hatte nicht einmal bemerkt und erinnerte sich nicht, auf welche Weise er sich auf einmal in Mantel und Überschuhen befand und seinen Hut in der Hand hielt. Alle Beamten standen regungslos und in respektvoller Erwartung. Die Sache war die, daß Seine Exzellenz am Fuße der Treppe stehen geblieben war, auf seinen Wagen wartete, der sich aus irgendwelcher Ursache verspätete,und ein sehr interessantes Gespräch mit zwei Räten und mit Andrei Filippowitsch führte. Ein wenig entfernt von den beiden Räten und Andrei Filippowitsch stand Anton Antonowitsch Sjetotschkin und einige andere Beamten, die sehr beflissen lächelten, da sie sahen, daß Seine Exzellenz zu scherzen und zu lachen beliebte. Diejenigen Beamten, die sich am oberen Ende der Treppe zusammendrängten, lächelten ebenfalls und warteten darauf, daß Seine Exzellenz von

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