Der Doppelgänger
eintrat, allerlei Allotria: sie gingen umher, führten Gespräche, plauderten, lachten, und einige der jüngsten, d. h. der im Range am niedrigsten stehenden, spielten sogar in einer Ecke am Fenster still und heimlich Schrift und Adler. Da Herr Goljadkin die Gebote des Anstandes kannte und gerade jetzt besonders wünschte, sie sich gegenüber beobachtet zu sehen, so trat er schnell zu einigen heran, mit denen er noch am ehesten harmonierte, um ihnen Guten Tag zu sagen usw. Aber die Kollegen erwiderten Herrn GoljadkinsGruß in ganz seltsamer Weise. Er war unangenehm überrascht durch die kalte, trockene, ja man kann sagen schroffe Art, in der sie ihn alle empfingen. Keiner reichte ihm die Hand. Manche sagten einfach: »Guten Tag« und gingen von ihm weg; andere nickten nur mit dem Kopfe; dieser und jener wandte sich einfach ab und tat, als ob er nichts bemerkt hätte; einige endlich (und das war für Herrn Goljadkin am allerverletzendsten), einige junge Leute von der untersten Rangstufe, Burschen, die, wie Herr Goljadkin sich ganz richtig im stillen über sie ausdrückte, weiter nichts verstanden als gelegentlich Schrift und Adler zu spielen und sich irgendwo umher zutreiben, diese umringten Herrn Goljadkin allmählich und umdrängten ihn so, daß sie ihm beinah den Ausweg versperrten. Alle blickten sie ihn mit einer Art von beleidigender Neugier an.
Das war ein übles Zeichen. Herr Goljadkin fühlte das und entschied sich seinerseits verständigerweise dafür, nichts zu bemerken. Plötzlich trat ein ganz unerwartetes Ereignis ein, das Herrn Goljadkin, wie man zu sagen pflegt, den Rest gab und den Garaus machte.
In dem Haufen der jungen Kollegen, die ihn umgaben, erschien plötzlich, und zwar gerade in dem für Herrn Goljadkin peinlichsten Augenblicke, Herr Goljadkin der jüngere, heiter wie immer, mit einem Lächeln auf dem Gesicht wie immer, beweglich, zungengewandt und leichtfüßig wie immer, kurz, als derselbe Schalk, Springinsfeld, Schäker und Spaßmacher wie immer, wie früher, wie z. B. gestern, wo er in einem für Herrn Goljadkin den älteren so unangenehmen Augenblicke aufgetaucht war. Schmunzelnd, sich hin und her drehend, trippelnd, mit einem Lächeln, das allen Anwesenden Guten Abend zu sagen schien, drängte er sich in den Haufen der Beamten hinein, drückte diesem die Hand, klopfte jenem auf die Schulter, umarmte flüchtig einen dritten, erklärte einem vierten, in welcher Angelegenheit Seine Exzellenz seine Dienste in Anspruch genommen habe, wohin er gefahren sei, was er getan und was er mitgebracht habe; einen fünften, wahrscheinlich seinen besten Freund, küßte er auf den Mund, – mit einem Worte: alles ging genau so vor sich wie in Herrn Goljadkins des älteren Traume. Nachdem er genugsam herumgehüpft, einen jeden auf seine Weise begrüßt, um die Gunst aller mit oder ohne Anlaß gebuhlt und sich bei allen gehörig lieb Kind gemacht hatte, streckte Herr Goljadkin der jüngere auch seinem älteren Freunde, Herrn Goljadkin dem älteren, den er bis dahin noch nicht bemerkt hatte, plötzlich und wahrscheinlich aus Versehen die Hand hin. Wahrscheinlich ebenfalls aus Versehen, obwohl er den unedlen Herrn Goljadkin den jüngeren schon längst sehr wohl bemerkt hatte, ergriff unser Held sofort eifrig die ihm so unerwartet hingestreckte Hand und drückte sie kräftig und in der freundschaftlichsten Art, ja mit einer seltsamen, ganz unerwarteten, innerlichen Bewegung, mit einer weinerlichen Empfindung. Ob unser Held sich durch die von seinem unwürdigen Feinde ergriffene Initiative täuschen ließ oder einfach der Geistesgegenwart ermangelte, oder in tiefster Seele seine Hilflosigkeit in ihrem ganzen Umfange erkannte und empfand, das ist schwer zu sagen. Tatsache ist, daß Herr Goljadkin der ältere bei vollemVerstande, aus freiem Willen und vor Zeugen feierlich die Hand desjenigen drückte, den er seinen Todfeind nannte. Aber wie groß war die Verwunderung, das Erstaunen, die Wut, der Schrecken und die Beschämung Herrn Goljadkins des älteren, als sein Todfeind, der unedle Herr Goljadkin der jüngere, sowie er das Versehen des unschuldigen, von ihm verfolgten und treulos betrogenen Menschen bemerkte, schamlos und gefühllos, erbarmungslos und gewissenlos auf einmal mit unerhörter Frechheit und Roheit seine Hand aus der Hand Herrn Goljadkins des älteren herausriß, ja seine Hand schlenkerte, als ob er sie mit etwas Unsauberem beschmutzt hätte, ja seitwärts ausspie und dies alles mit einer höchst
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