Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
Vom Netzwerk:
benvenuti nella nostra città! «
    Ein Trommelwirbel würgte den aufkommenden Beifall abrupt ab. Dafür setzte die Band und ein großes Geschiebe zum Nachspeisentisch ein. Maurice hatte jetzt freie Sicht auf Lilith, die an einem Baum lehnte, schmal, rotjackig, zerzaust, Kunstschule, Mutter Barbara, Stiefvater Henry. Sie schien außer Atem, jedenfalls hob und senkte sich das rote Leder über ihrer Brust energisch. Natürlich wirkte das reizvoll, aber darum ging es ihm nicht. Das Einzige, was ihn beschäftigte, war, ob jetzt ein günstiger Zeitpunkt wäre, ganz beiläufig bei ihr vorbeizuschauen. In ihrem Glas steckte ein Trinkhalm, den sie mit schnippenden Fingern am Kreisen hielt. Mist! Dieser Henry Lauterbach war ihm zuvorgekommen. Maurice sah ihn nur von hinten. Aber seine Gesten verrieten, dass er auf seine Stieftochter einsprach. Zunächst hielt Lilith den Kopf gesenkt, doch dann blickte sie unvermittelt auf, übergab Lauterbach ihr Glas, nestelte sich die Maske vom Gürtel und verwandelte sich blitzschnell in eine Fledermaus. Offensichtlich hatte sie ihren Stiefvater gerade abblitzen lassen. Der wandte sich um, lächelte bemüht und verschwand.
    Das kleine Zwischenspiel hatte Maurice irgendwie irritiert. Er starrte blicklos vor sich hin und empfand seine herunterhängenden Arme als lächerlich. Er solle bloß das Tiramisu nicht verpassen, rief jemand, es sei wahnsinnig lecker. Daraufhin wandte Lilith ihm ihr Fledermausgesicht zu. Mit einer winzigen Kopfbewegung deutete sie in Richtung der Stimme. Dann schöpfte sie pantomimisch Speise aus der Hand und machte ein genüssliches Schmatzen vor.
    Maurice brach den Blickkontakt ab und schlenderte lässig zu den Desserts. Dass sich Lilith die Maske ins Haar geschoben, ein scheues Handzeichen gewagt und ihm ein paar Schritte entgegengekommen war, entging ihm dabei. Betont gelassen löffelte er sein Tiramisu, untersagte sich den Nachschlag und machte sich auf den Weg zum See.
    Die Plattform, eine Wurfweite vom Ufer entfernt, war rundum mit großen Blumentöpfen bestückt. In allen steckten Fackeln, die ein flackerndes Karree um den Feuerwerker bildeten, der oben auf einer Trittleiter hantierte und vor sich hin trällerte. Sein Gesang war von einem rhythmischen Schnalzen unterlegt, vermutlich aus den Hohlräumen unter den Ufersteinen kommend. Auf der Böschung kauerten im Dunkeln ein paar Gestalten. Ihr Gespräch war nur ein Raunen, was Maurice auf die Idee brachte, dort könnten Verschwörer hocken, die dem Mann auf der Bockleiter an den Kragen wollten. Der aber kam in aller Seelenruhe runter, klappte die Leiter zusammen und lief in gebückter Haltung rückwärts über den Steg auf Maurice zu. Allem Anschein nach rollte er dabei eine Zündschnur ab. Es war Henry Lauterbach! Hier sei alles bereit, sagte er und erkundigte sich, ob die Gäste drüben immer noch tanzten. Maurice horchte: Die Klänge der Band schienen unwirklich weit entfernt. Aber war es nicht seltsam, dass dieser Lauterbach hier den Feuerwerker spielte?
    »Sie sind doch Maurice, der Sohn der Künstlerin, nicht wahr? Der mit der Band?« Henry Lauterbach war herangekommen und streckte ihm ein Kästchen entgegen.
    »Würden Sie bitte mal kurz halten?«
    »Sie sind … Sie machen das Feuerwerk?«
    »Um Gottes willen, nein. Der richtige Pyromane sitzt dort drüben. Ich habe bloß den Ausklang mitgebracht. Aber bitte, erzählen Sie es nicht herum! Abgemacht? Volle Diskretion, ja? Der Feuermeister wird die Box draußen mit einem elektrischen Impuls in Gang bringen. Nur diesen Draht …«
    Henry angelte eine Zange aus seiner Jackentasche und kappte das Kabel von der Rolle. Das Ende schob er in die Klemme am Kästchen und brummte, er verstehe nichts von bengalischem Zauber: »Diese Wunderbox da draußen macht alles selbst, hoffe ich jedenfalls. Danke fürs Halten! Lilith hat übrigens mal eines eurer Konzerte besucht, sagte sie mir. Sie fand es ganz toll. Hardrock, ja? Wie heißt die Band doch gleich?«
    » Never forever .«
    »Genauso ist es. Einmal muss Schluss sein«, sagte Lauterbach und nahm Maurice das Kästchen wieder ab. »Also, toll hat sie nicht gesagt.« Er lachte. »Ihr habt da ja ein anderes Vokabular. Aber gemeint hat sie es so. Bis später dann.«
    Huschende Lichtstrahlen und Stimmengewirr im Wäldchen kündigten weitere Gäste an. Ob Lilith unter ihnen war? Warum bloß hatte sie die Maske vors Gesicht gezogen? Das konnte doch nichts anderes heißen als: Komm mir nicht zu nah. Mein Gesicht geht dich

Weitere Kostenlose Bücher