Der Drache aus dem blauen Ei
schön bei den Drachen“, murmelte sie. „Wir machen viele Ausflüge und ich darf jeden Tag lokum und Schokolade essen, so viel ich will. Und ich muss nicht in die Schule.“
Mama lachte leise. „Das ist allerdings verlockend. Aber würdest du nicht Heimweh haben? Nach Papa und mir? Und auch nach Alexander und Bo? Könntest du dir vorstellen, für immer bei den Drachen zu bleiben?“
Anja kniff die Augen noch fester zusammen und stellte sich auch das vor. Aber egal, wie sehr sie sich bemühte, es gelang ihr nicht.
„Nein!“, rief sie aus. „Nie im Leben! Ich würde nie, nie, nie für immer bei den Drachen bleiben. Ich will zu euch zurück!“ Sie machte sie Augen auf und war unendlich froh, dass Mama bei ihr war, ganz nah.
Mama nickte und strich ihr zärtlich übers Haar. „Siehst du?“, sagte sie sanft. „Genauso geht es Lavundel. Er vermisst seine Eltern so sehr, wie du uns vermissen würdest. Du bist auch gern bei den Aslans …“
„… aber ich habe trotzdem Heimweh“, beendete Anja den Satz. „Auch wenn ich nur ein paar Tage weg bin.“
Dann war sie plötzlich nicht mehr so traurig. Im Gegenteil: Sie wusste jetzt, dass Lavundel unbedingt nach Hause musste. Und dass sie alles dafür tun würde, ihm dabei zu helfen.
„Schön, dass meine kleine Schleichkatze wieder lächelt“, sagte Mama und strich Anja lächelnd eine fast schon getrocknete Träne von der Wange. „Jetzt komm mal mit in mein Arbeitszimmer. Ich habe eine Überraschung für dich.“
Im Arbeitszimmer lagen überall Blätter und Stifte. Mama hatte in den vergangenen Wochen wirklich viel gearbeitet. Nun machte sie den Computer an. Der Bildschirm leuchtete gespenstisch auf.
„Ich zeige dir das neue Spiel, das ich gerade bastele“, sagte Mama geheimnisvoll. „Es ist schon fast fertig. Ich glaube, es wird dir gefallen. Pass auf!“
Anjas Herz machte einen Satz, als auf dem Bildschirm eine Wohnung erschien, die ihr sehr bekannt vorkam. Das war ja ihr Zimmer! Und der Flur und das Bad. Sogar die Treppe ins Wohnzimmer sah genauso aus wie in der Wirklichkeit. Noch mehr staunte sie, als plötzlich Lavundel ins Bild lief und ihr zuwinkte. Natürlich war es nicht der richtige Lavundel, sondern nur eine Figur im Spiel. Aber er war ganz genau zu erkennen. Genauso rot und genauso frech. Er schlug mit den Flügeln. Als Mama eine Taste drückte, spuckte er einen kleinen Feuerball, kicherte und sagte „Ups! ’tschuldugung.“
„Das Spiel ist ganz einfach“, erklärte Mama. „Du kannst für den Drachen sorgen und musst herausfinden, was er am liebsten essen möchte. Du kannst mit ihm das Fliegen trainieren und ihm neue Farben geben. Jeder, der dieses Spiel spielt, kann einen kleinen Drachen aufziehen und ihn versorgen. So können ihn viele Kinder kennenlernen. Und wenn er alles kann, darf er wegfliegen.“
„Cool“, sagte Anja und dachte gar nicht daran, dass sie gerade wie Baby-Bo klang. „Lavundel wird mächtig stolz sein. Und wenn ich zu viel Sehnsucht nach ihm habe, spiele ich das Spiel. So kann ich ihn wenigstens sehen.“
Mama nickte und lächelte verschmitzt. „Das ist noch lange nicht alles“, sagte sie. „Mit diesem Spiel werden wir ganz bestimmt viel Geld verdienen. Dann können wir im nächsten Sommer einen richtig langen, schönen Familienurlaub machen. Vielleicht besuchen wir sogar Lavundel und seine Familie. Dort, wo sie im Sommer sind.“
Anja begann zu strahlen. Ihr Herz hüpfte vor Freude und sie war jetzt überhaupt nicht mehr traurig.
Mama nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. „Wir verlieren unseren Lavundel ganz bestimmt nicht aus den Augen“, sagte sie vergnügt. „Außerdem: Ich wette, er kommt uns ohnehin im nächsten Winter wieder besuchen.“
Käpt’n Feuerblitz zeigt sein Können
Auf einen windigen Oktober folgte ein frostiger November. Auf die Dachterrasse konnte man sich nur noch im Wintermantel mit Schal und Handschuhen wagen. Aber Lavundel schien die Kälte überhaupt nicht zu stören. Fröhlich übte er jeden Tag mit seinem Fluglehrer Alexander. Inzwischen konnte er meisterhaft Sturzflüge und Loopings machen. Er flatterte und segelte und spielte mit der Wäscheleine, als wäre sie ein Sprungseil. Alexander wollte ihn nun mit in den Park nehmen.
„Er muss ja schließlich von dort aus abheben und zu den anderen Drachen fliegen“, erklärte er eines Sonntags am Frühstückstisch. „Dafür muss er schon mal üben.“
„Aha“, sagte Papa zweifelnd. „Muss er
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