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Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)

Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)

Titel: Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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sah sie an und vermisste besonders ihr Lachen.
    Für ihn waren nur zwei Tage vergangen, für sie aber waren es drei Monate gewesen. Hockster biss die Zähne zusammen. Drei Monate hatte sie um ihn getrauert und er hatte nichts davon gewusst, ja nicht einmal gespürt, wie ihre nicht enden wollende Trauer tagein, tagaus im Viertelstundentakt an ihm vorbeigeschnurrt war wie ein mechanisches Spielzeug. Er wollte ihr jede Träne, die sie je um ihn geweint hatte, blank poliert und auf den Knien wieder zurückgeben.
    Der Wirt kam und räumte das Geschirr weg. Hockster war dankbar für die Unterbrechung und bestellte mehr Wein und mit einem Blick auf Madigan einen zweiten Becher.
    „Ich trinke nicht!“, sagte sie, als der Wirt den Wein brachte.
    Hockster goss ihren Becher voll. „Ich weiß“, erwiderte er. „Lass uns auf unser Wiedersehen anstoßen.“ Er reichte ihr den Becher und sah sie lange an: „Darauf, dass wir am Leben sind!“ Sie stieß mit ihm an und nippte nur.
    „Es tut mir leid, dass du so viel hast durchmachen müssen“, sagte er.
    „Das ist vergangen“, erwiderte sie ernst. „Wir wollen uns auf diese eine letzte Reise konzentrieren.“ Sie schloss die Augen, nippte ein weiteres Mal und tauschte den Becher dann gegen ihren Tee.
    Hockster fragte sich, ob sie sich gerade etwas gewünscht hatte, und stellte überrascht fest, dass er fürs Erste genug Rätsel gelöst hatte. „Letzte Reise? Das klingt aber endgültig. Warum begleitest du mich? Du bist niemandem etwas schuldig. Ich frage mich, was dich hier festhält und ich fürchte, ich bin es nicht!“
    Sie sah ihn an, begegnete seinem immer offenen Blick und erwiderte ihn mit einer Ernsthaftigkeit, die er nicht gerne sah. „Wenn ich Artesian erst einmal verlassen habe, will ich nie wieder zurücksehen müssen.“
    „Wo du auch hingehst, du wirst mich nicht vergessen können.“
    „Ich konnte dich auch nicht vergessen, als du tot warst. Das hat das Leben aber nicht geschert! Es hat einfach weitergemacht.“
    „Es gab eine Zeit, da wäre ich dir überall hin gefolgt“, sagte Hockster eindringlich.
    „Ich erinnere mich.“ Plötzlich klang ihre Stimme weich.
    Hockster sah sie an. „Daran hat sich nichts geändert. Erzähl mir von denen, die du verloren hast. Erzähl mir von Garlit. Er war auch mein Freund.“
    Madigan nahm den Becher und trank einen Schluck Wein. Sie schloss die Augen.
    Er betrachtete sie ernst, wartete still. Kummer und Anteilnahme im Blick.
    Schließlich sagte sie: „Garlit starb neben mir auf dem Verteidigungswall, nur wenige Minuten später fiel Varna. Die Schlacht war ... grausig. Es gab zu viele Tote, zu viel Blut und abgeschlagene Glieder und ständig war da das Geheul der Verletzten, das sich mit den Schreien angreifender Chetekken mischte. Neun Tage nach Garlit starb Krull.“ Madigan senkte den Kopf. Als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht gerötet, aber sie weinte nicht. „Zuletzt starb Trewel. Er hatte sich in seiner Küche erhängt. Naggit wurde so schwer verletzt, dass wir dachten, er stirbt. Aber er überlebte. Beim letzten Angriff verlor Tira ihren linken Unterarm.“ Ein trauriges Lächeln grub sich in ihre Mundwinkel. „Durch den Schmerz, den ich durch deinen Tod beständig mit mir trug, war wenig Platz mehr in mir für den Schmerz und die Trauer um die gefallenen Freunde.“ Sie suchte in seinem Gesicht nach dem Begreifen, dass sie brauchte, um nicht einfach aufzustehen und für immer fortzugehen und fand es in seinem sorgenvollen Blick. „Aber ich hätte um jeden Einzelnen trauern müssen. Ich habe sie nach Trenadil geschickt, dich zu verteidigen. Sie kamen und starben einer nach dem anderen.“ Sie trank vom Wein. „Jetzt bist du wieder da. Du lebst! Es ist ein Wunder und ich bin dankbar dafür. Aber ich habe dieses Gefühl von Schuld, dass Freunde für mich gestorben sind und ich sie zuletzt um das bisschen Kummer betrogen habe, dass ich für sie hätte fühlen müssen. Ich war damals leer ohne dich und ich bin es noch immer. Das ist es, was mich hier hält. Die Leere und die Schuld.“
    Hockster nahm seinen Wein, lehnte sich zurück und trank den Becher langsam aus. Sein Blick wanderte durch den Schankraum, verweilte auf Gesichtern, die er nie zuvor gesehen hatte, sah den Wirt emsig hin und her eilen und versuchte sich vorzustellen, was damals auf den Mauern Trenadils geschehen war, als einer nach dem anderen neben ihr gestorben war. Er konnte es nicht.
    Er hatte kein tröstendes Wort für sie, nur seine

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