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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Schildkröte Platz. Aber an die Universität kehrte er trotzdem nicht zurück, vielleicht abgesehen von einigen Interviews, die er seinem Freund Zwi Kropotkin gewährte, der indes unaufhaltsam von der Magisterarbeit zur Dissertation weitereilte und schon damals Grundsteine für den Turmbau seiner historischen Aufsätze und Bücher zu legen begann. 1962 veröffentlichte Fima auf Drängen seiner Freunde und Zwickas besonderen Einsatz die Gedichtsammlung, die er während seiner kurzen Ehe auf Malta verfaßt hatte: Augustinus’ Tod und seine Auferstehung im Schoße Dulcineas. Im ersten und zweiten Jahr fanden sich Kritiker und Leser, die in Efraim Nissan ein hoffnungsvolles Talent sahen, auf dessen Entfaltung es sich zu warten lohne. Doch auch diese Hoffnung erloschnach einiger Zeit, weil Fima verstummt war. Keine Gedichte mehr schrieb. Jeden Morgen wurde Jael von einem Militärfahrzeug abgeholt, fuhr zur Arbeit in einen Stützpunkt, dessen Lage Fima nicht kannte, und beschäftigte sich mit irgendeiner technischen Entwicklung, von der er nichts verstand und nach der er nicht fragte. Den ganzen Vormittag lief er in der Wohnung herum, hörte jede Nachrichtensendung, futterte im Stehen, was er im Kühlschrank fand, diskutierte mit sich selbst und mit den Rundfunksprechern, machte wütend das Bett, das Jael am Morgen nicht mehr geschafft hatte und eigentlich auch gar nicht hätte machen können, weil er, wenn sie das Haus verließ, noch darin schlief. Danach las er die Morgenzeitung zu Ende, kaufte ein paar Lebensmittel ein, kehrte mit den beiden Mittagszeitungen zurück, vertiefte sich bis abends darein und verstreute die einzelnen Blätter über die gesamte Wohnung. Zwischen Zeitungen und Rundfunknachrichten zwang er sich an den Schreibtisch. Eine Zeitlang fesselte ihn ein christliches Buch mit dem Titel Der Dolch des Glaubens , das von Pater Raimundus Martini stammte und 1651 in Paris zu dem Zweck veröffentlicht worden war, ein für allemal die Glaubenssätze »der Mauren und der Juden« zu widerlegen. Fima hatte nämlich vorgehabt, die Wurzeln des kirchlichen Antisemitismus erneut zu untersuchen. Dabei erwachte jedoch in ihm ein vages Interesse an der Vorstellung des verborgenen Gottes. Er verfolgte die Lebensgeschichte des Mönchs Eusebius Sophronius Hieronymus, der bei jüdischen Lehrern Hebräisch lernte, sich 386 im judäischen Bethlehem niederließ, das Alte und das Neue Testament ins Lateinische übersetzte und vielleicht absichtlich die Kluft zwischen Juden und Christen vertiefte. Aber dieses Studium befriedigte Fima nicht, die Müdigkeit überwältigte ihn, er versank in Nichtstun. Blätterte etwa in der Hebräischen Enzyklopädie, vergaß, was er hatte nachschauen wollen, und vergeudete zwei, drei Stunden mit der Lektüre willkürlicher Beiträge in alphabetischer Reihenfolge. Fast jeden Abend setzte er seine verblichene Schirmmütze auf und ging Freunde besuchen, um bis ein Uhr morgens über die Lavon-Affäre 1 , den Eichmann-Prozeß, die kubanische Raketenkrise, die deutschen Wissenschaftler in Ägypten oder die Bedeutung des Papstbesuchs in Israel zu debattieren. Wenn Jael gegen Abend von der Arbeit zurückkehrte und ihn fragte, ob er schon gegessen habe, antwortete Fima griesgrämig: Was ist? Wo steht denn geschrieben, daß ich essen muß? Und während sie noch unter der Dusche war, begann er ihr durch die geschlossene Badezimmertür hindurch auseinanderzusetzen, wer in Wirklichkeit hinter dem Kennedy-Mord gestanden hatte. Fragte Jael ihn abends, ob er wieder ausgehe, um sich mit Uri oder Zwicka zu streiten, gab er zur Antwort: Ich geh’ auf eine Orgie. Und fragte sich, wie er sich von seinem Vater bloß mit dieser Frau hatte verkuppeln lassen können. Aber manchmal verliebte er sich urplötzlich von neuem in ihre kräftigen Finger, die am Ende des Tages ihre zarten Knöchel massierten, oder in ihre Gewohnheit, sich gedankenverloren die Wimpern entlangzufahren, und umwarb sie wie ein schüchtern schwärmender Schuljunge, bis sie ihm erlaubte, ihren Körper zu erfreuen, worauf er sie unter sorgfältigstem Hinhorchen präzise und glühend liebkoste. Zuweilen sagte er ihr mitten in einer kleinlichen Auseinandersetzung: Wart ab, Jael, das geht vorüber. Bald fängt unser richtiges Leben an. Gelegentlich gingen die beiden Freitagabend zu Schabbatbeginn in den leeren Gassen Nordjerusalems spazieren, und er erzählte ihr mit zurückhaltender Bewunderung von den Paarungen des Körpers mit dem Licht bei den

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