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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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frühen Mystikern. Dabei weckte er in ihr Freude und Zärtlichkeit, die bewirkten, daß sie sich an ihn schmiegte und ihm verzieh, daß er ein bißchen dicker geworden war oder wieder einmal vergessen hatte, ein frisches Hemd für den Schabbat anzuziehen, oder dauernd an ihrer hebräischen Ausdrucksweise herumverbessern mußte. Und, wieder heimgekehrt, umschlangen sie einander verzweifelt.
    1965 reiste Jael aufgrund eines Sonderarbeitsvertrags ans Forschungsinstitut der Firma Boeing nach Seattle im Nordosten der Vereinigten Staaten. Fima weigerte sich mitzukommen, behauptete, eine Zeit der Trennung werde ihnen beiden guttun, und blieb allein in der Zweizimmerwohnung in Kiriat Jovel. Er hatte eine bescheidene Anstellung als Sekretär in der Aufnahme einer gynäkologischen Privatpraxis im Stadtteil Kiriat Schmuel. Vom akademischen Leben hielt er sich fern, soweit Zwi Kropotkin ihn nicht zu einem Kurzseminar über die Bedeutung der Persönlichkeit in der Geschichte oder über die Vorzüge und Nachteile des Historiographen als Zeuge mitschleppte. Freitag abends tauchte er bei Nina und Uri Gefen oder bei anderen Freunden auf und ließ sich leicht in politische Debattenhineinziehen, bei denen er zuweilen sämtliche Anwesenden durch irgendeine pointierte Formulierung oder eine paradoxe Voraussage verblüffen, sich aber dann nie mit seinen Siegen zufriedengeben konnte, sondern wie ein zwanghafter Spieler unbedingt weitermachen und auch bei Fragen, von denen er absolut nichts verstand, gewinnen mußte, und das in jeder kleinsten Einzelheit, bis selbst die treusten Kumpel seiner überdrüssig wurden. Gelegentlich brachte er ein paar Bücher mit und erbot sich freiwillig, abends bei den Kindern zu bleiben, wenn seine Freunde ausgehen wollten. Oder er fand sich freudig bereit, ihnen beim Korrekturlesen, stilistischen Überarbeiten oder Formulieren einer Zusammenfassung behilflich zu sein. Zuweilen pendelte er auch als Vermittler bei einem kleinen Ehekrach zwischen den betroffenen Parteien hin und her. Von Zeit zu Zeit veröffentlichte er im Ha’arez kurze, scharfsinnige Artikel über politische Tagesfragen. Manchmal fuhr er allein für ein paar Urlaubstage in eine Privatpension in eine der alten Moschawot 2 des nördlichen Scharon. Sommer für Sommer versuchte er mit neuem begeisterten Elan, Autofahren zu lernen, fiel aber Herbst für Herbst bei der Prüfung durch. Ab und zu fand eine Frau, die er in der Praxis oder bei Freunden kennengelernt hatte, den Weg zu seiner verschlampten Wohnung und in sein nach frischer Wäsche schreiendes Bett. Wo sie dann rasch entdeckte, daß Fima viel mehr auf ihr Vergnügen aus war als auf sein eigenes. Manche Frauen fanden das großartig und herzerweichend, andere gerieten eher in Verlegenheit und machten sich schnell aus dem Staub. Er war imstande, eine Frau ein bis zwei Stunden lang mit zarten, abwechslungsreichen Liebkosungen voll Erfindungsreichtum, Einfallsgabe und sogar körperlichem Humor zu überhäufen und erst zum Schluß so schnell mal nebenbei sich seine eigene Befriedigung zu verschaffen, kaum daß seine Geliebte überhaupt mitbekam, daß er schon seine bescheidene und wohlverdiente Kommission bei ihr erhoben hatte, während er sich ihr immer noch aufmerksam hingab. Frauen, die ihrer Beziehung zu Fima ein gewisses Maß an Kontinuität oder Festigkeit zu verleihen suchten, ihm womöglich bereits den Wohnungsschlüsselentlockt hatten, veranlaßten ihn, nach zwei, drei Wochen in seine verlotternde Pension in Pardes Chana oder Magdiel zu flüchten und erst zurückzukehren, wenn sie die Hoffnung aufgegeben hatten. Aber derlei Dinge hatten sich eher bis vor fünf, sechs Jahren ereignet und waren seither immer seltener geworden.
    Als Jael ihm Anfang 1966 aus Seattle schrieb, es gebe einen anderen Mann in ihrem Leben, mußte Fima innerlich über die abgedroschene Phrase »ein anderer Mann in meinem Leben« lachen. Die Liebesaffären seines Geißbockjahrs, die Ehe mit Jael, Jael selber – all das erschien ihm jetzt nicht weniger banal, verstiegen und sogar kindisch als die revolutionäre Untergrundzelle, die er zu Gymnasialzeiten zu gründen versucht hatte. Er nahm sich vor, ein paar schlichte Zeilen zu verfassen, um sowohl ihr als auch dem anderen Mann alles Gute für ihr Leben zu wünschen. Aber als er sich gegen Abend an den Schreibtisch setzte, konnte er bis zum nächsten Mittag nicht mit dem Schreiben aufhören und hatte sich einen vierunddreißig Seiten langen, glühenden Brief

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