Der dritte Zustand
überraschende Rangerhöhung eingebracht, so daß er nun beliebig Befehle erteilen und ihre sofortige Ausführung verlangen durfte.
»Gewiß«, sagte Ted. »Wir können sie herholen. Aber nach dem, was der Psychologe gesagt hat, wäre es, meine ich, doch besser –«
Diesen Einwand wies Fima auf der Stelle mit den Worten »Ich bitte darum« zurück.
Ted zögerte, tuschelte mit Zwi, guckte auf die Uhr und sagte: »Okay, Fima. Wie du möchtest. In Ordnung. Ich spring’ los, Dimmi holen. Nur daß Uri mir vielleicht seine Schlüssel gibt, weil ich Jael den Wagen dagelassen hab’.«
»Auch Jael bitte.«
»Gut, ich ruf’ sie an? Sehe mal, ob sie kann?«
»Natürlich kann sie. Sag ihr, ich hätte darum gebeten.«
Ted ging, und Nina kam. Schlank, praktisch, mit scharfen, schnittigen Bewegungen, das schmale Fuchsgesicht Klugheit und schlaue Überlebenskunst ausdrückend, energiegeladen, als habe sie sich den ganzen Tag über nicht mit Beerdigungsvorbereitungen, sondern mit der Rettung Verwundeter unter Feindbeschuß beschäftigt. Sie trug einen grauen Hosenanzug, die Brillengläser funkelten, und in der Hand hielt sie einen harten schwarzen Diplomatenkoffer, von dem sie auch nicht abließ, als sie Fima eckig umarmte und auf die Stirn küßte. Aber Worte fand sie keine.
Schula sagte: »Ich geh’ in die Küche, für alle was zu trinken machen. Wer möchte was? Vielleicht will jemand auch ein Rührei? Oder eine Scheibe Brot mit irgendwas?«
Zwi bemerkte unsicher: »Dabei war er eigentlich ein stabiler Mann. Voller Energie. Mit einem herzlichen Lachen in den Augen. Mit einer Riesenlust auf Leben, gutes Essen, Geschäfte, Frauen, Politik und was nicht sonst noch alles. Vor kurzem ist er unvermittelt bei mir im Büro, auf dem Skopusberg, aufgetaucht und hat mir einen stürmischen Vortrag gehalten,in dem er behauptete, Leibowitz benutze Maimonides für demagogische Zwecke. Nicht mehr und nicht weniger. Und als ich ihm zu widersprechen versuchte, um Leibowitz’ Ehre ein wenig zu verteidigen, hat er mich mit irgendeiner Legende über einen gewissen Rabbi von Drohóbycz überfallen, dem Maimonides im Traum erschienen ist. Tiefer Lebensdrang, würde ich sagen. Ich hatte immer gedacht, er würde noch Jahr und Tag durchhalten.«
Fima, gewissermaßen als letzte Instanz in einem Streit, der gar nicht erst angefangen hatte, bestimmte: »Er hat ja auch tatsächlich Jahr und Tag durchgehalten. Ist nicht gerade in der Blüte seiner Jahre dahingegangen.«
Nina sagte: »Durch ein Wunder haben wir das Nötige noch gerade eben erledigen können. Es ist alles für Sonntag geregelt. Glaubt mir, es war wirklich ein irrer Wettlauf mit der Zeit, wegen Schabbatbeginn. Dieses Jerusalem ist noch schlimmer als Teheran. Du bist doch nicht böse, Fima, daß wir nicht auf dich gewartet haben. Du warst uns glatt abhanden gekommen, deshalb habe ich mir erlaubt, die formalen Dinge zu übernehmen. Nur um dir Scherereien zu ersparen. Ich habe schon Traueranzeigen in Ha’arez und Ma’ariv vom Sonntag aufgegeben. Vielleicht hätte ich noch weitere Zeitungen dazunehmen sollen, aber ich hab’s einfach nicht mehr geschafft. Die Beerdigung haben wir auf übermorgen um drei Uhr nachmittags festgesetzt. Wie sich herausstellte, hatte er sich schon selbst um eine Grabstätte gekümmert, nicht in Sanhedria neben deiner Mutter, sondern auf dem Ölberg. Übrigens hat er auch dir einen angrenzenden Platz dort gekauft. Neben sich. Und in seinem Testament genaue, ausführliche Anweisungen für die Beisetzung hinterlassen. Er hat sich sogar einen Kantor, aus der gleichen Stadt wie er, ausgesucht, der die Zeremonie leiten soll. Es ist ein wahres Wunder, daß ich diesen Mann ausfindig machen und vielleicht knapp eineinhalb Minuten vor Schabbatbeginn noch am Telefon erreichen konnte. Und auch den Grabsteintext hat er für sich selber verfaßt. Irgendwas, das sich reimt. Aber das kann mindestens bis Ablauf des ersten Trauermonats, wenn nicht bis zum Jahrestag warten. Wenn nur ein Viertel von denen zur Beerdigung erscheinen, die von seiner Philanthropie profitiert haben, muß man mit mindestens einer halben Million Menschen rechnen. Einschließlich dem Oberbürgermeister und allen möglichen Rabbinern, Funktionären und Knessetabgeordneten, von all den Witwen und Geschiedenen, die mit gebrochenem Herzen hinterblieben sind, ganz zu schweigen.«
Fima wartete, bis sie fertig war. Und fragte dann ruhig: »Hast du das Testament selbst geöffnet?«
»Im Büro. In
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