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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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nicht, was Nina dir erzählt hat, tatsächlich ist sie schon einige Zeit –«
    »Warte. Wir sprechen in deiner Wohnung.«
    »Tatsächlich wollte ich schon längst –«
    »Wir reden drinnen, Fima.«
    »Aber wann bist du denn zurückgekommen?«
    »Heute morgen. Um halb elf. Und dein Telefon ist abgestellt.«
    »Wie lange hast du hier draußen auf mich gewartet?«
    »Eine Dreiviertelstunde ungefähr.«
    »Ist was passiert?«
    »Gleich. Wir reden im Haus.«
    Als sie drinnen waren, schlug Fima vor, für beide Kaffee zu machen. Obwohl die Milch wohl schon sauer geworden war. Uri wirkte so müde und gedankenversunken, daß Fima den Abbau der Regale nicht ansprechen mochte. Deshalb sagte er nur: »Als erstes mache ich Wasser heiß.«
    »Wart mal einen Moment«, erwiderte Uri. »Setz dich. Hör gut zu. Ich habe eine schlechte Nachricht.« Bei diesen Worten legte er Fima seine warme, derbe Bauernhand, so knorrig wie die Rinde eines Olivenbaums, in den Nacken. Und wie immer jagte diese Berührung Fima einen leichten angenehmen Schauder über den Rücken. Er schloß die Augen wie eine Katze, die ein Streicheln abbekommen hat. Dann sagte Uri weiter: »Seit Mittag sucht man dich. Zwi war zweimal hier und hat einen Zettel ander Tür hinterlassen. Freitags ist eure Praxis geschlossen, und so rennen Teddy und Schula schon zwei Stunden herum, um eure Ärzte ausfindig zu machen. Wir wußten nicht, wohin du verschwunden warst, nachdem du von Jael weggegangen bist. Und ich hab’ nur meinen Koffer zu Hause abgesetzt und bin gleich hergefahren, um dich sofort zu erwischen, wenn du zurückkommst.«
    Fima schlug die Augen auf. Sah mit einem ängstlich flehenden Kinderblick zu dem großen Uri. War jedoch nicht überrascht, weil er stets auf dieses Unheil gewartet hatte. Lautlos, nur mit den Lippen, fragte er: »Dimmi?«
    »Dimmi ist völlig okay.«
    »Jael?«
    »Dein Vater.«
    »Krank. Ich weiß. Schon seit einigen Tagen –«
    »Ja. Nein. Schlimmer«, sagte Uri.
    Auf eigenartige, ja wunderbare Weise wurde Fima in diesem Moment von der Selbstbeherrschung angesteckt, die Uri Gefen unwillkürlich ausstrahlte. Und er fragte ruhig: »Wann genau ist es passiert?«
    »Mittags. Vor vier Stunden.«
    »Wo?«
    »Bei ihm zu Hause. Er hat im Sessel gesessen und russischen Tee mit zwei alten Damen getrunken, die ihn offenbar um eine Spende für einen Wohltätigkeitsverein angehen wollten. Vom Blindenhilfswerk oder so was Ähnliches. Sie sagen, er habe angefangen, einen Witz oder eine Anekdote zu erzählen und sei dann plötzlich mit einem Seufzer verschieden. Einfach so. Im Sessel. Hat überhaupt nicht mehr gelitten. Und seit dem Mittag suchen wir dich alle.«
    »Ich verstehe«, sagte Fima und zog seine Jacke wieder über. Seltsam, ja angenehm war ihm das Gefühl, daß sich sein Herz weder mit Kummer noch mit Schmerz, sondern vielmehr mit einer Welle der Tatkraft füllte. Einer praktischen, wohlkontrollierten Energie.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Immer noch zu Hause. Im Sessel. Die Polizei ist schon dagewesen. Es gibt irgendeine Verzögerung hinsichtlich seiner Überführung – momentan nicht weiter wichtig. Die Ärztin vom Stock unter ihm war innerhalb zwei Minuten da und hat festgestellt, daß alles vorbei ist. Ich glaube, sie war auch eine gute Freundin von ihm. Zwi, Teddy und Schula warten vermutlichdort auf dich. Nina kommt aus dem Büro rüber, sobald sie alles geregelt und die formellen Dinge erledigt hat.«
    »Gut«, sagte Fima, »danke. Laß uns hinfahren.«
    Einen Moment später fügte er hinzu: »Und du, Uri? Direkt vom Flughafen? Hast den Koffer ins Haus gestellt und hast dich gleich aufgerafft, um mich zu suchen?«
    »Wir wußten nicht, wohin du verschwunden warst.«
    »Ich hätte dir wenigstens eine Tasse Kaffee machen sollen«, sagte Fima.
    »Laß man«, erwiderte Uri. »Konzentrier dich nur mal einen Augenblick und denk gut nach, ob du etwas von hier mitnehmen mußt.«
    »Gar nichts«, entgegnete Fima sofort militärisch knapp, mit einem ihm sonst nicht eigenen Nachdruck, »schade um die Zeit. Laß uns gehen. Wir sprechen unterwegs weiter.«

30.
Wenigstens soweit wie möglich
    Um Viertel nach fünf parkte Uri seinen Wagen in der Ben-Maimon-Allee. Die Sonne war bereits hinter Pinien und Zypressen untergegangen. Aber am Himmel schwebte noch ein seltsames Dämmerlicht voll trübem Flimmer: weder Tages- noch Nachtlicht. Über der Allee und den massiven Steingebäuden lag zarte, nagende Schabbatabendwehmut. Als habe Jerusalem aufgehört, Stadt

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