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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lächelte Ting. »Leider war Flitz nicht auf Ihrem Fest, Sir. Vielleicht wäre sonst manches anders verlaufen. Tja, nun sind sie beide verschwunden. Das gefällt mir gar nicht. Es gibt so viele Probleme, die sie hinterlassen … und sie ziehen sich einfach zurück und turteln an unbekanntem Ort. Das betrachte ich als unfair. Gerade jetzt, wo wir wichtige neue Erkenntnisse gewonnen haben durch Doktol Melkels Entdeckungen …«
    McLindlay wartete nicht einmal, bis Ting sein Grundstück verlassen hatte. Kaum saß Ting in seinem Polizeijeep, rannte McLindlay ans Telefon. Er zitterte am ganzen Körper, mußte sich setzen und schloß die Augen, als sich endlich der gewählte Teilnehmer meldete.
    »Dr. Merker ist der neue Liebhaber von Yang«, sagte er heiser.
    »Sie waren schneller, James. Ich wollte Sie am Abend besuchen und Ihnen die neue Erkenntnis überbringen. Was nun?«
    »Warum fragen Sie?« McLindlays Stimme klang wie zerstört. »Auch wenn es Dr. Merker ist, ich kann es nicht ertragen! Sie wissen, was Sie zu tun haben.«
    »Wenn wir wüßten, wo Dr. Merker ist …«
    »Das ist Ihre Aufgabe!« McLindlay atmete tief auf und seufzte laut. Wie gefoltert warf er den Kopf weit in den Nacken. »Sorgen Sie dafür, daß es bei beiden schnell und schmerzlos geht …«
    Dr. Mei wurde Stammgast im Etablissement von Madame Yo. Es war schon selbstverständlich, daß der kleine, dicke, alte Mann so gegen 22 Uhr erschien, seinen Platz in der Ecke einnahm und seine Flasche Whisky hingestellt bekam. Die Mädchen mit den bloßen Brüsten behandelten ihn bald wie ihren Großvater, setzten sich in stillen Minuten an seinen Tisch und plauderten mit ihm, erzählten ihr Lebensschicksal und ab und zu auch, was so alles im Bordell passierte. Genau das wollte Dr. Mei hören. Er lächelte weise, verbreitete Glück und Wohlwollen und regte sogar Madame Yo an, an seinen Tisch zu kommen und sich mit ihm zu unterhalten. Das war nun eine ganz große Auszeichnung, die Mei zu würdigen wußte, zumal Madame Yo und Mei eine gemeinsame Leidenschaft hatten, die Madame nur geschickt vertuschen konnte: Auch Madame Yo trank für ihr Leben gern.
    Den Mann mit der weißen Strähne hatte Dr. Mei sofort erkannt, als er die Treppe herunterkam, begleitet von seiner Favoritin Canny, einer fröhlichen, drallen Chinesin, die über ihre Nacktheit nur einen dünnen Seidenmantel geworfen hatte und den Mann sogar mit einem Kuß verabschiedete, was bei Huren eine höchst seltene Auszeichnung ist.
    Dr. Mei erwähnte das so nebenbei bei Madame Yo, die sehr darüber erstaunt war, daß der alte Säufer anscheinend doch etwas Erfahrung aus einem Bordell mitbrachte.
    »Ein guter, angenehmer Kunde«, sagte sie und trank ein Gemisch aus Gin, Orangensaft und Curaçao blue, das sie rätselhafterweise ›Mondschein‹ nannte, als wäre es klares Wasser. »Canny liebt ihn. Warum soll sie nicht küssen? Solange sie nicht ihren Dienst vernachlässigt …«
    »Ich bewundere Sie, Yo!« sagte Mei begeistert.
    »Warum?«
    »Sie saufen wie ein Seemann bei drei Monaten Flaute! Da komme ja selbst ich kaum noch mit!«
    »Wie alt sind Sie, Mei?«
    »Zu alt fürs Bett, Yo. Schon zweiundsiebzig!«
    »Hoha! Ich bin Fünfundsechzig und noch munter wie ein Delphin, wenn mir einer gefällt. Ich hatte einen Kunden hier, der war dreiundachtzig und beschäftigte immer zwei meiner Mädchen. Ein Bolzen, sage ich Ihnen! Was sind da Ihre Zweiundsiebzig?! Sollen wir das mal nachprüfen, Mei?«
    Dr. Mei betrachtete Madame Yo, stellte sie sich ausgezogen vor und schauderte innerlich. Man muß Opfer bringen, dachte er, aber nicht sich opfern. Das ist ein großer Unterschied.
    »Knacken Sie eine taube Nuß, Madame«, sagte er säuerlich. »Was haben Sie dann? Nur Ärger. Wir unterhalten uns so gut … warum sollen wir auch noch übereinander liegen und auf ein Wunder warten? Meine Braut ist die Flasche. Ich will ihr nicht untreu werden.«
    Madame Yo sah das nicht ein, aber sie widersprach nicht. Immerhin war man nach diesem Gespräch so vertraut miteinander, als habe man tatsächlich zusammen im Bett gelegen, und genau das hatte Mei erreichen wollen. Er war in die Intimsphäre des Bordells eingedrungen.
    Nach vierzehn Tagen kannte er die meisten Stammkunden mit Namen, wußte ihre Besuchszeiten, ihren Beruf, erfuhr von ihrem Privatleben, und es war sogar üblich geworden, daß man einander grüßte, weil der alte dicke Mann an dem Tisch in der Ecke sozusagen schon zur Einrichtung gehörte. Wenn Dr. Mei mal

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