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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dieser McLindlay drin. Aber ich spüre eine ganz tiefe Abneigung.«
    »Wir wären alle Sorgen los, Mei, wenn James mitmacht! Ein Hospitalschiff – diese Perle fehlt ihm noch in seiner Krone. Man sollte wirklich mit ihm reden.«
    »Frag Yang.« Dr. Mei stützte seinen dicken Kopf in beide Hände. »Sie hat die Witterung eines Raubtieres. Ihr Instinkt ist unbezahlbar. Wenn sie ja sagt, dann versuch es, Fritz …«
    An diesem Abend wurde nicht mehr darüber gesprochen. Dr. Mei ließ sich wieder an Land rudern, um bei Madame Yo seinen Warteposten zu beziehen und Beichtvater bei den Huren zu spielen, die jetzt mit all ihren kleinen und großen Sorgen zu ihm, dem gütigen Alten, kamen und immer einen guten Rat erhielten. Das alte China war nicht tot. Selbst in einem Hurenhaus achtet man die weisen Worte eines alten Mannes, so wie es Tradition ist seit Jahrtausenden.
    Dr. Merker und Yang fuhren mit einem kleinen Motorboot zu Yangs prunkvoller Dschunke. Nachdem man auf der Doktor-Dschunke alle Wände herausgerissen hatte, waren sie heimatlos geworden und wohnten auf dem Prachtschiff. Für Yang war es wie eine Probe auf die Zukunft: Am Tage auf dem Hospitalschiff, am Abend auf ihrer Dschunke … das war der Rhythmus, wie sie ihn sich vorstellte.
    Butler Ling empfing sie jedesmal mit großer Feierlichkeit. Der Tisch im Salon war gedeckt, die Köche brachten die besten Speisen aus ihrer Zauberküche, Räucherstäbchen hielten jeden anderen Duft von draußen ab, vor allem den fauligen Geruch von brackigem Wasser und toten Fischen. Und Ling erklärte Dr. Merker jedesmal mit der Würde eines Staatsschauspielers, was auf den Tisch kam: Kantonesische Küche, Peking-Küche, Shanghai-Küche, Szetchuan-Chiu-chow-Hakka-Küche. Oder das sechsgängige Yam Cha-Essen, die Wonne jedes Chinesen. Klößchen gefüllt mit Krabben, Rindfleisch in Austernsoße, Huhn in chinesischem Wein, Gemüse mit Krebsfleisch, geschmorter Aal mit Bambussprossen, gedämpfte Krebse, Entensuppe mit Zitronen, in Salz gebackene Hühnerleber, Mehlkloß gefüllt mit gedämpftem Huhn … Ling kündigte die Speisen an, als rufe er Fürstennamen auf. Und es war wahrhaft fürstlich, was da aufgetragen wurde und wie es schmeckte. Dazu tranken sie einen leichten chinesischen Wein, goldgelb in der Farbe, würzig, aber ungefährlich, jedenfalls diese Marke.
    Wenn Dr. Mei am Essen teilnahm, kam es regelmäßig zu Protesten. Mei verschlang unheimliche Mengen, und dann verlangte er zur ›Verteilung‹ einen doppelten Reisschnaps. Yang verweigerte ihn, solange sie konnte, weil Mei nach einem Glas des scharfen Getränkes immer einen gewaltigen Rülpser losließ und sich darüber freute. »Er wirkt!« rief er dann glücklich. »Hört ihr, er räumt auf! Das ist der Kanonenschuß, der eine geregelte Verdauung freigibt! Ein Schafskopf, der so etwas Herrliches unterdrückt. Gesundheit muß man demonstrieren! Das ist ein wichtiges psychologisches Moment!«
    An diesem Abend nun aß Dr. Mei nicht mit Yang und Dr. Merker. Er hatte keinen Hunger. Der Geldmangel bedrückte ihn. Da kann ein Mensch wie Mei nichts mehr essen, sondern nur noch trinken. Er zog sich um, nahm als Grundlage zwei Gläser Gin und ließ sich wie immer von einem jungen Patienten an Land rudern.
    Liang Tschangmao, das kleine blinde Blumenmädchen, hatte den ersten Rundgang hinter sich. Sie wartete nervös und ungeduldig am Quai und wäre Dr. Mei fast um den Hals gefallen.
    »Ich glaube, ich habe ihn!« flüsterte sie. »Ich glaube es … Es ist der Mann, der damals die Befehle gegeben hat. Der Mann, den man Herrn Tschao nennt, der mir einen ganzen Korb Rosen abgekauft und dann die Schenkel gestreichelt hat. Es ist seine Stimme.«
    »Wo?« stotterte Dr. Mei. Die Erregung ließ seinen dicken Körper zittern. »Wo ist er, Liang? Bei Yo?«
    »Nein. In der Bar ›Die sieben Glückseligkeiten‹. Er hat dort eine Versammlung mit anderen Männern. Ich habe seine Stimme gehört. Sie sagte gerade: ›Ich bin nur von Hohlköpfen umgeben, die nicht wert sind, daß sie auf einem atmenden Körper sitzen! Was habt ihr bisher erreicht? Nichts! Dabei kennen wir die Stadt wie unsere Handfläche!‹ – Dann muß er mich gesehen haben, sagte: ›Später! Führt die Kleine raus! Kauft ihr alle Blumen, die sie bei sich hat, ab!‹ Und dann zog man mich weg auf die Straße, nahm mir die Blumen weg und bezahlte sie fast doppelt. ›Geh woanders hin‹, sagte Mr. Chang, der Besitzer der Bar. ›Für heute ist hier Schluß!‹ Da bin ich

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