Der Dschunken Doktor
Dschunkenkrankenhaus weiter wuchs.
Währenddessen raufte sich an Land Ting Tse-tung die Haare. Mit dem Abtransport der Koffer war die letzte Spur von Dr. Merker ausgelöscht worden. Wenn er sich nicht selbst wieder meldete, gab es keine Möglichkeit, ihn in dem Millionengewühl von Hongkong jemals zu finden.
Auch Yang, die als einzige wußte, wo er sich aufhielt, fiel als Verbindungsperson aus: Yang Lan-hua, der Star des ›Drachen von Canton‹, hatte ihren Vertrag gekündigt. Das war eine Katastrophe für den Nightclub. Herr Tsching jammerte fürchterlich, als Ting bei ihm erschien, verkündete, er müsse wohl seinen Club schließen, denn für Yang gäbe es in der ganzen chinesischen Welt keinen Ersatz, was Ting bestätigte, und man könne sie auch nicht überreden, denn keiner wisse, wo sie wohne. Die einen sagten, sie lebe bei den Boat People; die anderen behaupteten, sie hätten Yang im Park einer großen Villa in den Bergen von Beacon Hill gesehen.
Ting ließ sofort Beacon Hill absuchen, aber natürlich wohnte Yang nicht dort. Sie war nie dort gesehen worden. Die Patrouillenboote, die in Yau Ma Tei herumfuhren und das ganze westliche Seegebiet vor Kowloon kontrollierten, meldeten auch nur Mißerfolge. Sie hatten Hunderte der Wasserchinesen befragt, sie hatten sogar Bestechungsgelder angeboten. Doch die Ärmsten der Armen, von denen Ting behauptete, für einen Dollar brächten sie jeden um, hatten kein Interesse an Geld. Für Ting war das ein Zeichen.
»Sie lebt auf dem Wasser!« sagte er. »Und Flitz ist bei ihr! Es ist eine Katastrophe! Wir waren so nahe am Ziel, die Gegenseite wurde nervös … nun schläft alles wieder ein. Und einmal wird die unheimliche Krankheit über uns alle herfallen und uns vernichten! Bei allen Himmeln, wir dürfen dieses Chaos doch nicht mit offenen Augen und ohne Gegenwehr auf uns zukommen lassen!«
In einem irrte Ting: Die Gegenseite war durchaus nicht schläfrig geworden und hatte sich mit Dr. Merkers Verschwinden zufrieden gegeben. Sie sah es genau anders. Sie argwöhnte, daß Merkers Untertauchen nur dazu diente, ihn außer Gefahr forschen zu lassen. Das aber bedeutete für sie höchsten Alarm!
Findet Dr. Merker!
Herr Tschao befahl es bei einer der heimlichen Zusammenkünfte ohne Umschweife. Der ›Innere Kreis‹ hatte sich wieder getroffen. Sehr bedrückt saßen alle im Lagerraum einer angesehenen Elektrofirma in Victoria, durften wegen der Feuersgefahr nicht rauchen und hörten mit gesenkten Häuptern die harten Worte ihres unsichtbaren Herrschers an.
»Jedem von euch sollte ich die Seidene Schnur schicken!« sagte die Stimme aus dem Lautsprecher kalt. »Wie darf soviel Dummheit weiterleben? Wir haben ein Heer von Informanten und wissen nichts! Wo hat es das schon einmal gegeben? Mit so viel Unfähigkeit wollen wir die Welt erobern? Ein einziger Mann steht uns im Weg, und wir kommen nicht weiter. Ist das nicht beschämend?«
»Ich möchte daran erinnern«, wagte der medizinische Sachverständige einen Einwurf, »daß es Ihr Befehl war, Herr Tschao, Dr. Merker leben zu lassen. Wir hatten oft die Gelegenheit, ihn …«
»Ich brauche sein Wissen, nicht seinen Körper!« schrie Herr Tschao böse. »Wenn er ein Gegenmittel gefunden hat, müssen wir umdenken! Darum geht es! Unsere Aktionen müssen sicher sein, unangreifbar, vernichtend. Nur das garantiert den Erfolg.«
»Wir vermuten, daß Dr. Merker bei Yang ist«, sagte einer der bedrückten Männer.
»Wieso?« Tschaos Stimme war verwundert. »Was hat Yang damit zu tun?«
»Warum wurde auf sie geschossen?«
»Das ist unsere zweite Aufgabe! Niemand weiß, wer das Attentat auf sie verübt hat.«
»Ich war gestern im ›Drachen von Canton‹«, sagte einer der elegant gekleideten Herren in Richtung des Lautsprechers an der Decke. »Ich wollte Yang hören und sehen. Sie tritt nicht mehr auf. Sie hat gekündigt. Sie ist verschwunden.«
»Sofort nachprüfen!« schrie die Stimme von Herrn Tschao.
»Ich habe es bereits getan. Yangs Verschwinden fällt zusammen mit dem Untertauchen von Dr. Merker. Nur vierundzwanzig Stunden liegen dazwischen. Das dürfte kein Zufall sein.«
»Woher kennt Dr. Merker denn Yang?«
»Sie haben sich bei Mr. McLindlay kennengelernt.«
»Das wäre, wenn es stimmt, allerdings alarmierend!« Herr Tschao schien nachzudenken. Das Schweigen war bedrückend und ließ die Herzen schneller schlagen. Dann war plötzlich die Stimme wieder da. »Ich werde das nachprüfen lassen. Gibt es da einen
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