Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Zusammenhang, haben wir große Hoffnung, Dr. Merker wiederzusehen. Eine Frau wie Yang kann in Hongkong nicht verschwinden. Wir werden sie suchen lassen, das ist kein Problem.«
    Ein wenig erleichtert verließen eine Stunde später, wie immer einzeln, die Herren das Lagerhaus der Elektrofirma. Die Seidene Schnur, das Todesurteil, war noch einmal an ihnen vorübergegangen. Aber sie spürten, wie nahe sie am Rande der Dunkelheit lebten. Zu flüchten hatte keinen Sinn. Vor einem Herrn Tschao flüchtet man nicht, sein Arm ist überall. Daß es Dr. Merker gelungen war, sich unsichtbar zu machen, war geradezu rätselhaft. Er mußte Helfer haben, die gefährlicher waren als er selbst …
    Voller drängender Gedanken war auch McLindlay. Ihn beschäftigten gleich zwei Rätsel: Wo war sein Freund Dr. Merker, und wer hatte auf Yang geschossen? Eine dritte Frage marterte ihn heimlich: Wer war der neue Liebhaber von Yang? Wer hatte es gewagt, sie ihm wegzunehmen? Wer war der Stärkere, der ihm seinen Liebestraum zerstört hatte? Yang Lan-hua, die Orchideenblüte – sie zu besitzen war sein einziger Wunsch, der unerfüllt geblieben war, ihm, der sich alle Wünsche mit einem Fingerschnalzen erfüllen konnte. Und da gab es plötzlich einen Unbekannten, der bei Yang mächtiger war als er!
    Ting Tse-tung hatte nichts mehr ermitteln können. Aus Bettys Chromrevolver war nicht geschossen worden. Was Ting nur verblüffte war die Feststellung, daß die lächelnden Mörder mit genau solchem Revolver ihre rätselhaften Taten verübt hatten. Solche Damenwaffen gab es natürlich zu Tausenden in Hongkong, gedacht zur Nahverteidigung; aber man konnte auch, wenn man ein guter Schütze war, aus einiger Entfernung damit töten, wie bei McLindlays Fest bewiesen worden war.
    Noch zweimal ließ Ting sich bei McLindlay melden und von Betty den Hergang des Anschlages erzählen. Der Täter hatte den Augenblick gut gewählt, alles starrte auf Yang, keiner blickte zurück, und über die Köpfe hinweg erfolgte der Schuß.
    »Das macht mich stutzig«, sagte Ting und überlas noch einmal alle Notizen, die er sich gemacht hatte. »Über die Köpfe hinweg … Das bedeutet, daß der Schütze erhöht gestanden haben muß. Etwa auf der Balustrade, oder auf einem Stuhl, oder sogar auf einem Balkon. Der Schußkanal führt auch schräg von oben nach unten. Aber wenn jemand auf einem Stuhl steht oder auf der Balustrade – das fällt doch auf! Auf jeden Fall dem bedienenden Personal! Während alle Gäste auf Yang fixiert waren, liefen sie ja mit den Getränken herum. Sie müssen den Schützen gesehen haben!«
    Sie hatten es nicht! Ting verhörte die gesamte Dienerschaft. Nein, niemand hatte auf einem Stuhl oder auf der Balustrade gestanden. Natürlich hätte man das sofort bemerkt!
    »Als der Schuß fiel, kam ich gerade aus dem Zwinger zurück!« sagte der Tigerwärter mit den Eisenhaken-Händen. »Es stand niemand erhöht. Ich hätte es vom Park aus sehen müssen.«
    »Das stimmt.« Ting Tse-tung seufzte und sagte dann etwas, was McLindlay innerlich aus der Fassung brachte. »Jedenfalls hat Yang eine wahnsinnige Angst. Sie hat im ›Drachen von Canton‹ gekündigt und ist seitdem verschwunden.«
    »Sie ist verschwunden?« wiederholte McLindlay mit mühsam beherrschter Stimme. Seine Mundwinkel zitterten.
    »Ja. Spurlos.«
    »Und die Polizei tut nichts?!«
    »Die Polizei, Sir, ist dabei, alles zu durchforschen. Ich habe alle Leute im Einsatz. Wissen Sie, wo Yang sich aufhalten könnte?«
    »Ich? Nein! Wieso ich?!«
    »Sie kennen doch Yangs Wohnung.«
    »Keine Ahnung. Ich kenne nur ihre Adresse ›Drachen von Canton‹.«
    »Die können wir streichen, Sir. Dahin kommt sie nie mehr zurück.«
    »Ja, um Gottes willen – da muß doch etwas geschehen!« McLindlays Stimme war rauh geworden. Ting sah ihn aufmerksam an. »Erst schießt man auf sie, jetzt verschwindet sie …«
    »Das letztere ist eine private Entscheidung, vermute ich. Das geht die Polizei nichts an. Wenn wir Yang suchen, dann nur wegen Dr. Merker.«
    »Was hat mein Freund Fritz mit Yang zu tun?« fragte McLindlay steif.
    Es war Ting eine wahre Freude, jetzt einen Satz auszusprechen, der in McLindlay eine Explosion auslösen mußte: »Aber Sir, welche Frage? Wir alle wissen doch, daß Yang und Dr. Merker befreundet sind … um es galant auszudrücken.«
    Mit keiner Regung zeigte McLindlay, daß er getroffen war. »Sie … Sie wissen das?« fragte er hohl.
    »Ab und zu ist auch die Polizei gut informiert!«

Weitere Kostenlose Bücher