Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
notwendigen Instrumente und untersuchte es in aller Sachlichkeit. Die Hasenscharte fesselte ihn offensichtlich, er fingerte vorsichtig daran herum, und das Kind ließ es geschehen.
Kein Wort fiel zwischen ihnen. Alles war gut so, er machte sie ruhig.
»Es ist geschwächt«, sagte er schließlich. »Aber es wird überleben. Das Beste wäre Muttermilch … doch würden wir niemals eine weiße Amme finden, die ein schwarzes Kind an ihre Brust nimmt. Niemals. Im Waisenhaus –«
»Ich will es behalten«, sagte Penelope schnell.
»Penny.« Er drehte sie zu sich um, ließ seine Hand unschicklich auf ihrem Arm. So hatte er sie noch nie genannt. »Das ist nicht Lily.«
Tränen schossen in ihre Augen, ohne dass sie es wollte. Nein, das Kind war nicht Lily und auch kein Mittel gegen die Trauer, die sie so sorgfältig unter Verschluss gehalten hatte. Das schwarze Kind war nichts als eine fixe Idee, ein Phantom …
Ohne Umstände nahm er sie in die Arme und wiegte sieleise hin und her, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann ließ er sie zögernd los und brachte einen Schritt Abstand zwischen sie. Penelopes Herz schlug ihr bis zum Hals, weil er sie weiter schweigend betrachtete und gar nicht nach Worten zu suchen schien.
»Nun, was sagen Sie, Doktor, wollen Sie – oh.« Elizabeth stand im Türrahmen. Sie verstummte, doch Kreuz hatte sich schnell gefangen. Er packte seine Tasche zusammen und nahm das Kind mit der Decke auf den Arm.
»Ich werde es über Nacht mit ins Hospital nehmen, diese Hasenscharte muss operativ versorgt werden. Je früher, desto besser, so kann man das … dieses hübsche Gesicht erhalten«, sagte er, ohne Elizabeth anzuschauen. Sein Blick galt Penelope, die vor ihm stand und die Hände nach dem Kind ausgestreckt hatte. Sie zwang sich, die Hände zu senken, nicht zu schreien, sie wusste doch, dass er recht hatte und dass er sie nicht verletzen würde –
»Morgen überlegen wir dann weiter.«
Elizabeths Lächeln tanzte durch den Raum. Der Duft nach Lavendel, der sie stets begleitete, schenkte Trost. »Ach, Bernhard, wie wunderbar, das wird das Beste für alle sein, ich bin Ihnen sehr zu Dank …«
Die Stimmen entfernten sich. Penelope sank wie betäubt auf den Stuhl neben dem nun leeren Kinderbett.
Elizabeth wusste es anzustellen, dass sie den ganzen Nachmittag beschäftigt waren. Da der Gouverneur ja erst für den nächsten Tag zurückerwartet wurde, beschloss sie, das Essen gründlich vorzubereiten, und ließ die Frauen Bohnen schneiden und Kräuter kleinhacken, um nach neuen Rezepten das Brot selber zu backen, was Ernestine zu Protesten veranlasste. »Wer hat jemals gehört, dass man dasBrot selber backt, wenn man zum Bäcker gehen kann – wie die armen Leute …«
Die Gouverneursgattin selbst wirbelte in der Küche herum und sorgte dafür, dass sämtliche Gedanken, die nichts mit Hühnerfedern oder Kängurubrust zu tun hatten, vor der Tür blieben. In den Pausen gab es Kuchen und besonders feinen Tee, der sonst niemals an die Dienstboten ausgeschenkt wurde. Penelope war dankbar für die viele Arbeit, die vom Nachdenken ablenkte.
Am Abend klopfte es leise an der Tür. Ernestine führte den Doktor in den Salon, wo die beiden Frauen im Schein zweier Petroleumlampen beieinandersaßen. Elizabeth war über ihrem Buch halb eingenickt, während Penelope die letzten Maschen eines Spitzenkragens häkelte. Ein Traum aus cremefarbenem Seidengarn, schöner als alles, was sie bisher gefertigt hatte. Das Muster war rund, bestand aus lauter Kreisen, die ineinandergriffen und keine Lücke offen ließen. Es hatte sehr lange gedauert, ihn zu häkeln, weil sie die Maschen kaum noch erkennen konnte. Nun war er fertig. Sie hob den Kopf.
Kreuz ließ seinen Blick über die Sessel wandern, als überlege er, in welchen er sich setzen sollte. Er war blass, machte aber einen gelösten Eindruck. In seinen Händen hielt er die zusammengefaltete Kinderdecke, die Elizabeth ihm sogleich abnahm.
»Was bringen Sie Schönes, Bernhard?«, fragte sie betont fröhlich und goss ihm ein Gläschen ihres gehüteten Beerenlikörs ein. Beiläufig berichtete er, dass Redfern ihm noch am Nachmittag geholfen habe, die Hasenscharte des kleinen Findlings zu vernähen. Der Befund sei so interessant gewesen, dass sie über eine Publikation nachdächten.
»Es wird Zeit, dass wir das alte Zelthospital hinter uns lassen und in die moderne Welt der Medizin eintreten«, meinte Kreuz und schlug die Beine übereinander. »New South Wales
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