Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
sie sah erwartungsvoll lächelnde Gesichter – Frauen, die sich anboten. Ihr Geistarbeitete zu langsam … was trieb die Weiber in die Arme dieser Kerle? Und was blühte denen, die niemand wollte?
»Du hast nur diese Chance.«
Zu spät hob Penelope den Kopf, um zu sehen, wer vor ihr stand, doch da war niemand mehr. Das Gedränge und Stimmengewirr waren verklungen, der Sand war voller Fußabdrücke. Sie hatte man übersehen. Die Menschen drängten sich nun alle um einen hölzernen Stand, wo jemand mit einer Liste herumwedelte und Sträflingsnamen aufrief. »Thelma Brown!«, hörte sie. Und: »Elizabeth Smythe!« Die meisten der Männer hatten eine Frau bei sich, die sie nun auslösen wollten … Erst jetzt begriff Penelope, was Carrie zu erklären versucht hatte: Die Hand eines freien Siedlers war der goldene Pass, sein Eheangebot der einzige legale Weg aus der Verbannung.
Und Carrie war fort.
Alle, die Penelope kannte, waren fort. Sie rang die Panik nieder. Die Weiber um sie herum rückten dichter zusammen, wie um sich stark zu machen gegen die Tatsache, dass sie niemand gewollt hatte, weil sie zu alt, zu schwach oder zu hässlich waren. Oder wie Penelope den richtigen Moment verpasst hatten. Vorsichtig schaute sie sich um. Keines der Weiber hatte sie je wahrgenommen. Es würde nur noch einen Menschen auf der Welt geben, der ihr nun weiterhelfen konnte: sie selber.
»Diese Frauen müssen gekleidet werden, bevor sie auf das Boot gehen. Der Anblick ist unerträglich – Ihr müsst ihnen Kleider geben. So etwas kann doch nicht geduldet werden.« Ein wenig näselnd klang die Stimme, im Grunde aber freundlich. »Jeder muss ja denken, es kommen nur Dirnen in unser Land.«
»Da kommen auch nur Dirnen in unser Land, Madam«, erwiderte eine andere Stimme und räusperte sich für die nun folgende Erklärung. »Das sind Dirnen der übelsten Sorte – sonst wären diese Weiber nicht hier, sondern führten daheim in England ein gottesfürchtiges Leben mit Mann und Kindern.«
»Aber deshalb müssen wir sie doch nicht mit Nacktheit demütigen!« Die Lady gab nicht nach.
»Solches Pack kann man gar nicht demütigen, Mrs. Macquarie –«
»Ich will ein solches Gerede nicht hören. Lassen Sie Kleider herbeischaffen, und bekleiden Sie diese bedauernswerten Kreaturen, bevor die Nacht hereinbricht und sie noch erfrieren.« Röcke raschelten, vielleicht zwei übereinander, es duftete nach Seife, als die Röcke, von einer schmalen Hand gerafft, vorüberrauschten.
Der Wind versuchte für Penelope zu retten, was ging. Er wehte ihr das seidene Spitzentuch der Dame vor die Füße. Das Tüchlein verfing sich an ihrem Fuß. Sie griff danach, und ihre Finger erkannten sofort beste Spitzenhäkelei. Sehnsüchtig strich sie über die strahlend gelbe Arbeit, die die Dame sich eben noch vor die Nase gehalten hatte, wohl gegen den Gestank, den die Neuankömmlinge verbreiteten. Ein sanfter Hauch von Parfüm kam ihr aus dem Tuch entgegen, sandte Grüße aus einem weißen Salon am anderen Ende der Welt.
»Weg mit deinen dreckigen Pranken, du Diebin!«, fauchte der Diener sie da an und bückte sich, um ihr das Tuch zu entreißen.
Die Dame drehte sich erstaunt um. »Aber Thomas –«
»Jetzt«, flüsterte der Wind. »Jetzt!«
»Ich … kann so was«, stotterte Penelope, »ich kann sowas häkeln …« Das Tuch entglitt ihren Fingern. Der Diener runzelte die Stirn, und als er seiner Herrin das Tuch reichte, trat sie mit einem neugierigen Blick auf Penelope zu.
»Du kannst so was? Wirklich?«, fragte sie ungläubig.
Penelope nickte heftig.
Elizabeth Macquaries ernste Augen musterten sie aufmerksam, wanderten über ihr schmales Gesicht und die vor Aufregung zitternden Hände, die nach den langen Monaten auf See nicht wirklich aussahen, als ob Spitze ihr Metier gewesen war.
»Ich war Spitzenhäklerin in London, Madam«, flüsterte Penelope.
Dann hastete jemand auf die Dame zu »Madam, Ihr Gatte sucht Sie, er wartet in der Kutsche. Er hat gesagt –«
»Ich war Spitzenhäklerin.« Penelope versuchte aufzuspringen, damit die Dame nicht davonlief, doch ihr Versuch kam zu spät. Der magische Moment war vorüber. Elizabeth Macquarie hatte sich ohne ein weiteres Wort umgedreht und war dem Mann gefolgt. »Dummes Ding«, schalt der Wind sie und wehte zurück aufs Meer. »Sieh zu, wie du zurechtkommst.«
Penelope sank zusammen. »Ich kann wirklich häkeln«, sagte sie immer wieder leise vor sich, doch niemand hörte sie.
Die Dame war längst
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