Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
– ich bin … ich war …«, begann sie, doch Kreuz schnitt ihr das Wort ab. »Ich bin nicht der Richter. Erzähl es ihm.«
Er wartete auch keine Entgegnung ihrerseits ab, sondern verließ das Zimmer, ohne ein Wort des Abschieds oder Bedauerns. Nicht einmal der gute Wunsch für einen glücklichen Ausgang des Gerichtsbesuchs war über seine Lippen gekommen. Entsetzt sah sie ihm hinterher.
Penelope hatte einen Verbündeten verloren. Jemanden, von dem sie gedacht hatte, dass er an sie glaubte, weil er stets gut zu ihr gewesen war. Dieser Jemand schien die Seiten gewechselt zu haben, schien anderen mehr zu glauben als ihr, ohne sie je gehört zu haben. Er hatte überhaupt nichts wissen wollen! Er schickte sie einfach weg, um es irgendwelchen Leuten zu erzählen … Ihr Herz wollte schier brechen. An Schlaf war nicht mehr zu denken, doch gelang es ihr kaum, einen klaren Gedanken zu fassen, wusste sie doch selber kaum, wie sich eigentlich alles zugetragen hatte …
Und Ann hatte sie einfach verlassen.
Man zog ihr neue braune Kleider an und schaffte sie in das Büro eines Richters, dessen Namen sie vor lauter Aufregung nicht verstand. Man setzte sie auf einen Hocker ohne Lehne, der frei im Raum stand und herumkippelte, wann immer sie ihr Gewicht verlagerte. Ihr wurde schwindelig. Papiere raschelten, Männer sprachen leise miteinander,der Schreiber tauchte seine Feder ins Tintenfass und stellte den Sandstreuer zurecht. Das hier würde nicht lange dauern, verriet sein Gesichtsausdruck. Alles schien so klar, er würde schnell mit der Arbeit fertig sein.
»Penelope MacFadden, geboren in London im Jahr 1796, wegen Beihilfe zur Abtreibung verurteilt zum Tod durch den Strang, das Urteil wurde in Deportation für sieben Jahre umgewandelt«, näselte er die Fakten von seinem Papier herunter. »Angeschifft an Bord der Miracle, von dort verbracht in die Frauenfabrik nach Parramatta. Keine Vorkommnisse von dort gemeldet. Wohnhaft in …« Er rümpfte die Nase. »In … äh –«
»Das ist hier nicht von Interesse.« Der Richter legte beide Unterarme auf den Tisch. »Miss MacFadden, Sie wurden in den Trümmern einer Kutsche gefunden, die von Parramatta aus kommend die Zollgrenze nach Sydney durchbrach und in unkontrollierter Fahrt gegen eine vollbesetzte Kutsche aus Sydney prallte. Dabei sind vier Personen zu großem Schaden gekommen. Was haben Sie zu dem Vorfall zu sagen?«
Penelope starrte ihn an. Sie verstand ihn nicht und konnte sich nicht rühren. Ketten schienen sich um ihre Brust gewickelt zu haben, hinderten sie am Atmen, und sie erschlaffte innerlich, wie sie es auf dem Schiff immer getan hatte, um die Ketten zu ertragen.
»Können Sie sich erinnern, Miss MacFadden? Sie saßen auf dem Bock einer Kutsche. Wo sind Sie hergekommen? Können Sie sich erinnern?« Die Stimme des Richters verriet seine Ungeduld. Sie wagte nicht, zu ihm aufzuschauen. »Haben Sie meine Frage verstanden? Wiederholen Sie meine Frage. Miss MacFadden? Schauen Sie mich an.«
Jemand schüttelte sie von hinten, und sie kippte vom Hocker.Ein Mann lachte, als sie hilflos auf dem Boden lag, ein anderer flüsterte: »Sie ist vielleicht betrunken.«
»Helfen Sie ihr, Jones, machen Sie schon!« Der Richter versuchte es mit Geduld, als zwei grobe Hände sie wieder auf den Hocker gesetzt hatten und das Kichern verstummt war. »Miss MacFadden, ich möchte von Ihnen wissen, woher Sie mit der Kutsche kamen. Das Pferd wurde wiedererkannt als Besitz von James Heynes in Double Creek. James Heynes ist in der vergangenen Nacht bestialisch ermordet worden. Wir haben in Ihrer Kutsche das hier gefunden.«
In Penelopes Ohren rauschte es. Der Richter zog das Woomera unter dem Schreibtisch hervor. An der Klinge klebte immer noch das Blut, das Ann daraufgestrichen hatte. Sie spürte nichts mehr, als sie erneut fiel.
Drei Männer standen um ihr Bett herum. Sie sprachen leise miteinander und deuteten auf sie, auf ihr Bein, auf das Fenster. Einer von ihnen heftete seinen tiefblauen Blick auf ihr Gesicht – sie musste ihn einfach anschauen. Sein Haar war eisgrau, doch seine Züge sprachen von einstiger Schönheit, und der weiche Zug um seinen Mund ließ auf eine warmherzige Person schließen. Als er sah, dass sie seinen Blick erwiderte, kratzte er sich am Kinn.
»Schauen Sie doch! Sie ist wach. Reden Sie mit ihr, Kreuz. Machen Sie ihr klar, dass ihr niemand etwas zuleide tun will.«
Bernhard Kreuz löste sich aus der Gruppe und setzte sich auf die Kante des
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