Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
Spitalbettes.
»Guten Morgen, Penelope.« Er stockte, um Worte verlegen. »Wir – du – wir haben dir Laudanum gegeben, und du hast die ganze Nacht geschlafen. Richter Bent möchtedich heute noch einmal verhören. Für alle Beteiligten ist es am besten, wenn du die Wahrheit sagst.«
Die Wahrheit! Das Laudanum wich aus ihrem Kopf, machte einem Gedanken Platz, der sie erzittern ließ. Die Wahrheit! Die Wahrheit war nicht das, was sie erlebt hatte – die Wahrheit lag in der Kutsche. Sie, Penelope, war allein in der Kutsche gewesen – und man verdächtigte sie der grausamen Tat von Double Creek!
Sie starrte an die Decke. Es spielte keine Rolle mehr, dass Kreuz nun neben ihrem Bett saß, dass er sogar ihre Hand genommen hatte und ihr den Schweiß von der Stirn tupfte. Es spielte keine Rolle, ob er ihr glaubte oder nur so freundlich redete, weil zwei Zeugen daneben standen.
»… vielleicht braucht sie noch einen Tag … zu früh … bin ja kein Freund dieser Gefangenenunterkünfte … zu viele völlig verängstigte … schon erlebt, dass …«, wehten Gesprächsfetzen an Penelopes Ohr. »… diese kein Sonderfall … Transportbedingungen dringend überdenken … unmenschlich …«
»Erinnern Sie sich noch an den Fall Brooks? Captain Brooks, der Gefangene gezielt verrecken ließ … versucht, ihm den Prozess zu machen … Untersuchungen, die nichts ergeben haben …«
Penelope kniff die Augen zusammen, um die Männer besser erkennen zu können. Redfern beugte sich zu ihr herab.
»Miss MacFadden, ich erkenne Ihre Angst. Seien Sie mutig. Es wird Ihnen das Leben retten.« Er lächelte freundlich.
Beim nächsten Verhör saßen noch mehr Leute im Raum. Die Luft war zum Schneiden dick. Niemand kam auf die Idee, ein Fenster zu öffnen, stattdessen servierte eineDienstmagd heißen Tee. Richter Bent blätterte in seinem Papierstapel. Sein Assistent flüsterte auf ihn ein, man hörte immer wieder: »… versteht nicht … egal, was man sagt … keine Antwort … vielleicht ist sie blöde?«
Penelope weigerte sich, die Reihe der schwarzgekleideten Juristen anzuschauen. Solche Männer hatten sie in London zum Galgen geschickt. Sie schaute stattdessen auf die Füße, die unter dem Eichentisch hervorlugten. Große Füße in vornehm polierten Schuhen. Diese Füße würden sie in den Staub treten. Sie wollte nicht im Staub landen. Das war der einzige Gedanke, den sie fassen konnte.
»Sie kam von Parramatta, ja genau.« Der Aufseher, den sie als Zeugen geladen hatten, nickte heftig. »In einem gewaltigen Tempo, Euer Ehren, so was könnt Ihr Euch nicht vorstellen – die ganze Erde war voller Staub, man sah die Sonne kaum –«
»Und sie fuhr auch Sie über den Haufen?«, unterbrach Bent den Redeschwall des Mannes unwillig.
»Na ja, sie fuhr wie der Teufel, und ihre Freundin spielte mit ihrem Sonnenschirm herum.«
»Welche Freundin? Der Konstabler hat niemanden sonst gefunden, von welcher Freundin sprechen Sie?«
»Na, da saß noch so eine Blonde mit im Wagen. Eine, die aussah wie Mrs. Terry. Aber sie war nicht Mrs. Terry. Die kenn ich ja. Die sah nur aus wie Mrs. –«
»Das haben wir nun gehört, Tilbury«, unterbrach der Richter ihn ungeduldig. »Die zweite Frau – wo ist sie abgeblieben?«
»Das weiß ich doch nicht, Euer Ehren. Als die Scheißkerle anfingen, sich zu prügeln, fuhren die zwei Weiber mich beide über den Haufen, und weg waren sie wie ein Wirbelsturm. Den Unfall habe ich nur von weitem gesehen.«
»Die zweite Frau saß also noch in der Kutsche?«
»Da waren zwei, ja, so wahr ich hier stehe.«
Das Gemurmel wurde lauter. Ellis Bent räusperte sich, doch das brachte die Zuhörer kaum zum Verstummen. Der Fall wurde immer mysteriöser.
»Miss MacFadden, es wäre an der Zeit, uns mit der Wahrheit auszuhelfen. Sie helfen dabei vor allem sich selber – vielleicht haben Sie nicht richtig verstanden, worum es geht.« Der Richter beugte sich vor. »Sie wurden in den Trümmern einer Kutsche gefunden, die James Heynes aus Double Creek gehört. James Heynes wurde vorgestern Nacht auf seinem Hof ermordet – mit dem Messer, welches wir ebenfalls in den Trümmern gefunden haben. Es würde vor allem Ihnen helfen, wenn Sie uns sagen, wer die zweite Frau in Heynes’ Wagen war. Und vor allem: wo sie ist.«
Die Stille im Gerichtsraum fühlte sich an wie ein Stück hauchfeines Glas. Jedes kleinste Geräusch würde sie in feinste Splitter zerblasen.
Penelope starrte auf ihre Finger. Dies war das Ende. Das Ende des
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