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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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war neu im Viertel, aus Nottingham sollte er gekommen sein, sagte man, geldgierig nannten ihn manche und einen rastlosen Häscher. Hatte Hal ein Verbrechen entdeckt, biss er sich wie ein wilder Hund an den Fersen des Täters fest und ruhte nicht, ehe er ihn dem Richter ausgeliefert hatte. In dieser Kammer witterte er einen Verbrecher.
    »Zum Teuteuteu – Hal, zzumz-z-zum –« Jack deutete auf das Blut. Die alte Susanna bekam einen Tritt und fiel dem Büttel jaulend vor die Füße. Hal Edwards riss den halben Türrahmen mit seinem breiten Umhang aus der Wand undstieß Jack mit seinem Klapperstock beiseite. Diesmal hatte der Stock, der nachts unüberhörbar auf das Pflaster klopfte, kein Verbrechen verhindern können. Doch den Täter konnte Hal hier stellen.
    Penelope erkannte den Mann mit der krummen Hakennase sofort wieder, der seine Spitzel mit Brot statt mit Gin bezahlte. Zu dritt glotzten sie auf den sich vor Schmerzen windenden Unterleib der dicken Lady und auf die blutigen Gerinnsel, die aus der Frau quollen, denn die alte Susanna hatte vom Boden aus die Lappen weggezogen und deutete mit beiden Händen auf die schreckliche Tat. »Hängt sie! Hängt die verdammte Abtreiberin, hängt sie auf!«
    »Rasch, ein Arzt, eine Kutsche – rasch!«, gellte eine andere Stimme durch das Haus, dann drängten sich noch mehr Frauen in die enge Kammer, gafften auf das Blut, auf die weißen Schenkel, das goldgelbe Kleid, tuschelten aufgeregt und zerrten schließlich an Mary MacFadden wie Raubtiere an ihrer Beute. Die Mutter aber schwieg, brachte keinen Ton hervor.
    Penelope hatte in all dem Tumult Lady Rose nicht losgelassen, deren Schreie in Schluchzen übergangen waren. Von den anderen wagte niemand, die feine Lady anzufassen. Es hatte ohnehin alles keinen Sinn mehr.
    Selbst wenn das Leben von Lady Rose vielleicht gerettet werden konnte. Penelope erschrak, als Marys Blick sie traf. Verloren waren sie beide.
    Auch als sie später auf dem stinkenden Karren des Büttels durch das nächtliche London rumpelten, mit den Händen an die Planken gefesselt und schaudernd vor Kälte, weil man ihnen nicht mal gestattet hatte, Mäntel mitzunehmen, sprach die Mutter nicht. Sie schwieg auch, als Straßenjungen Steine warfen und Betrunkene mit Gehstöcken gegenden Karren schlugen und von der dreibeinigen Stute höhnten, die ihnen nun aufs Haupt pissen würde.
    »Wohin fahren wir?«, flüsterte Penelope. Sie hielt Marys Schweigen nicht mehr aus.
    »Nach Newgate«, kam es tonlos zurück.
    Newgate kannte jeder. Das eine Wort reichte aus, um Penelopes Herz wild klopfen zu lassen. Die Mutter saß starr neben ihr, Marys Schatten glitt an den Häuserwänden entlang. Sie bewegte sich nicht einmal, als der Karren vor dem düsteren, stumm in den Nachthimmel ragenden Gefängnis anhielt.
     
    Abtreibung war verboten. Auf Abtreibung stand die Todesstrafe, wie auch Richter Smythe erklärte. Seine Perücke hing schief, vielleicht weil er keinen Spiegel benutzte oder weil er noch nicht ganz nüchtern war. In dem schmierigen Gerichtssaal stank es durchdringend nach Bier. Übel hatte es auch in dem Raum gerochen, in dem sie endlose Tage auf ihre Verhandlung hatten warten müssen, auf einer harten Bank, vor sich eine verschlossene Tür, die sich nur zu öffnen schien, wenn ein neuer Angeklagter eintraf oder wenn man Essen verteilte. Kaum jemand wagte zu sprechen, Furcht erstickte auch das kleinste Gespräch. Und so kam es einer Erlösung gleich, als man sie zur Verhandlung abholte.
    »… verurteilt nach Lord Ellenboroughs Gesetz!«, brüllte Richter Smythe und riss Penelope aus ihren Gedanken, »43 … Zeee Punkt 58 … ertappt auf frischer Tat …« Draußen schrie jemand. Zwei Büttel drängten in den Raum und brachten einen Iren, der sich heftig zur Wehr setzte, worauf der eine Büttel ihm mit dem Stock eins überbriet …
    »Ich bin noch nicht fertig«, knurrte Richter Smytheund schob sich die Perücke zur anderen Seite. »Wo waren wir … Lord Ellenborough, eeehm – zeee – Punkt – eeehm – Strang. Genau. Mary MacFadden, du wurdest dabei erwischt, wie du an der ehrwürdigen Lady Rose Winfield eine Abtreibung vornahmst. Die ehrwürdige Lady lag in ihrem Blut, als man dich festnahm. Abscheulich.« Er schob seine Brille auf die Stirn und wandte sich an den Schreiber. »Abscheulich schreiben Sie natürlich nicht.« Richter Smythe kratzte sich am Ohr, dass die Perücke wackelte. »Du hast eine Abtreibung vorgenommen, Frau. Eine abscheuliche Tat.« Er

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