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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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schwieg, als wartete er auf eine Reaktion der Angeklagten. Doch Mary hielt den Kopf schweigend gesenkt. »Möchtest du vielleicht wissen, ob die Lady noch lebt?«, fragte er.
    Mary hob den Kopf und nickte.
    »Du hättest verdient, in Unwissenheit zu sterben, Frau«, fuhr der Richter fort. »Aber ich will mal nicht so sein. Die Lady hat überlebt. Durch ein Wunder. Ja, ein Wunder, ganz recht. Schreiben Sie das. Nein, schreiben Sie das nicht!« Ärgerlich rüttelte er am Arm des Schreibers, der mit knapper Not sein Tintenfass retten konnte. »Sie überlebte die scheußliche Tat, Frau, und trotzdem hast du ihr Leben ruiniert. Daher verurteile ich dich zum Tode durch den Strang, ja, Gott möge dir gnädig sein. Ein weiteres Wunder wird er nicht bewirken wollen.« Smythe zwinkerte über den Rand seiner verbogenen Brille. »Mein Gott, Frau, was warst du doch leichtsinnig! Warum suchst du dir keine ehrbare Arbeit, wenn du schon keinen Mann findest, der für dich sorgt? Welcher Leichtsinn, welche Verschwendung!« Kopfschüttelnd betrachtete er sie, und auf merkwürdige Weise umflorte Trauer seinen Blick. »Und ich muss dich nun zum Tode verurteilen … meinst du, das bereitet mir Freude?«
    »Natürlich bereitet es dir Freude«, erklang eine hasserfüllte Stimme von der Seite. Der Ire grinste. Als der Stock des Büttels seinen Rücken traf, schrie er auf. Richter Smythe schlug mit der flachen Hand auf den Rechtsfolianten.
    »Halt dein verdammtes Maul, Rotschopf, und warte, bis du dran bist!«, brüllte er, und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Der Ire fluchte und grub seine Zähne in das Bein des Aufsehers. Da traf ihn ein weiterer Schlag. Er stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr …
    Richter Smythe setzte seine Arbeit fort. Schließlich wartete eine Menge Angeklagte auf sein Urteil. Der Ire würde auch bald an der Reihe sein. Penelope konnte ihren Blick nicht von dem blutenden Hinterkopf des Mannes wenden. Atmete er noch? Oder hatte der Aufseher ihn totgeschlagen? Sie hatte Mitgefühl mit ihm, obwohl sie ihn gar nicht kannte und sie nichts miteinander verband außer der Tatsache, dass alle Türen in diesem Gebäude zum Galgen führten.
    Richter Smythe hatte sich Penelopes Fall zugewandt, ohne dass sie ihm genau zugehört hatte, und verkündete sein Urteil.
    »… verurteile ich dich, Penelope MacFadden – wegen Beihilfe zur schändlichen Abtreibung zum Tod durch den Strang.« Er hielt inne, sah von seinen Blättern hoch. »Meine Güte. So jung. Und hübsch. Und schon so verdorben.«
    Seine Perücke wackelte auf dem Kopf hin und her.
Tod durch den Strang
. Eine kalte Hand hatte ihre Brust umklammert. Sie starrte vor sich hin. Tod. Mary neben ihr entfuhr ein Stöhnen. Dann rutschte die Mutter von der Bank herunter und fiel auf die Knie.
    »Erbarmen mit ihr – habt Erbarmen, ehrwürdiger Herr, zeigt Gnade, verschont mein Kind!«, flehte sie.
    »Gnade willst du?« Der Richter lehnte sich auf zwei Ellbogen über den Tisch. Seine Perücke rutschte beinahe vom Kopf, rasch schob er sie nach hinten. »Hattest du Gnade mit den Frauen?«
    »Ich bitte nicht für mich. Zeigt Gnade für meine Tochter, ich flehe Euch an.« Marys Stimme kam leise und beschwörend.
    Der Richter zog seine Perücke an beiden Enden über den Ohren fest. Vom Flur erklang erneut Geschrei. Stirnrunzelnd schaute er Penelope an. Als sie es wagte, den Blick zu heben, glaubte sie, Mitgefühl in seinen Zügen zu entdecken.
    »Etwas sagt mir, dass ihr tüchtige Weiber seid.« Er lächelte matt. »Ja, ihr wäret tüchtige Weiber, wenn man euch auf den rechten Weg brächte. Für den Strang seid ihr vielleicht zu schade. Und immerhin lebt die Frau ja noch. Die Lady – also dein Opfer, dein –« Er wandte sich an den Schreiber. »Ich wandle mein Urteil in Deportation um – vierzehn Jahre für dich, Mary MacFadden, und vierzehn Jahre für dich, Mädchen. Mögt ihr euch dort unten auf eure Sünden besinnen und etwas Anständiges mit eurem Leben anfangen.« Er kniff die Augen zusammen. »Bei Gott, meine Tochter ist genauso alt wie du …«, murmelte er. Dann knallte sein Hammer auf den Tisch und beseitigte jede Spur von Mitleid. »Im Namen des Gesetzes – der Nächste! Hinaus mit euch!«
    Penelope bekam einen Tritt versetzt. »Macht schon, bewegt euch, Weiber!«, giftete der Gerichtsdiener und half nach, wo es ihm zu langsam ging. Als Mary stürzte, zerrte er sie so brutal hoch, dass ihr Kleid im Rücken zerriss. Kein Wort der Klage war von ihr zu

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