Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
mehr. Sie würden die Sorgen unter den Deckel des Spartopfes sperren. Mary wischte alle Ahnungen beiseite. Die Scheine schmiegten sich in ihre Hand und verliehen ihr Zuversicht. Sie würde sich nach dieser Behandlung ein großes Glas Gin genehmigen, früh ins Bett gehen und diesen Abend einfach vergessen. Die Lady war auch nur eine Frau in Nöten.
»Ich stelle keine Fragen. Sie vergessen, wo Sie gewesen sind«, wiederholte sie, nun mit leiser, beschwörender Stimme. Dann nahm sie der Lady doch den Umhang ab. Das hellgelbe Seidenkleid wirkte deplatziert in der düsteren, nur von einer Petroleumlampe erhellten Wohnstube mit vom Rauch fast schwarzen Wänden. Lady Rose sah sich furchtsam um.
»Hier entlang«, sagte Mary und warf den Umhang über den Küchenstuhl. Rose tat einen Schritt auf die Lampe zu. Für einen Moment stand sie wie in Gold getaucht vor ihnen. Penelope hielt die Luft an. Träumte sie etwa? Bilder zogen wie Blitze durch ihren Kopf – ihre Häkelspitze, die inzwischen die Schultern der Lady fast bedeckte. Das rosafarbene Garn, der weiße Salon, die Blüten am Pfirsichbaum,ihr Duft, der Zauberstaub auf ihren Wangen … Nichts davon gehörte hierher.
Mary hatte unterdessen begonnen, in der Schlafkammer das Bett vorzubereiten. Penelope kannte jedes einzelne Geräusch. Dann schwang die Tür auf, Mary stand stumm im Rahmen. Niemals machte sie Worte, wenn jemand zu ihr kam. Die Frauen entschieden selbst über diesen Gang, und Mary wusste, was zu tun war. Trost spendete sie nicht.
»Habt keine Angst, Mylady«, flüsterte Penelope und gab dem Bedürfnis nach, der Lady tröstend die Hand auf den Arm zu legen.
»Nein«, flüsterte Rose mit zitternder Stimme.
Beinahe schien es Penelope, als ob eine Freundin vor ihr durch die Tür zum Schlafgemach schritt. Und doch war es nicht richtig, das wusste sie. Schweigend halfen ihre Mutter und sie der Lady, das raschelnde Kleid auszuziehen. Wie ein bizarres, goldenes Fabelwesen lag es über dem Stuhl, als Rose sich, nun steif vor Angst, auf das glattgestrichene Laken legte. Penelope folgte dem Wink ihrer Mutter und setzte sich neben die Lady. Ihr Herz klopfte – wie jedes Mal, wenn sie dabei sein musste. Die Mutter verlangte das nicht oft.
Jedes Wort wäre zu viel. Stille würde Marys Hand nun leiten. Stille war ihre Verbündete, damit nichts aus dieser Schlafkammer drang, kein Laut, kein Klagen. Stille breitete ein dichtes Gewand über sie alle, Stille würde das heimliche Geschäft gelingen lassen und die junge Frau wieder aus dem Gemach führen. So war es immer gewesen. Alle Vorhänge waren zugezogen, die Türen verschlossen. Die Stille setzte sich aufs Fensterbrett, breitete ihre Schwingen aus und hielt alles fern, was von draußen kommen konnte.
Mit geübten Griffen schob die Mutter die Röcke der Lady über die Beine nach oben. Rose hob den Kopf. Angstschweiß stand auf ihrer Stirn. Mary öffnete ihre Tasche und rückte den Hocker mit der Petroleumlampe näher. Ihre Instrumente glänzten im flackernden Licht der Lampe. Penelope vermied, das verhasste silberne Werkzeug anzuschauen.
»Ich habe … ich …«, stotterte Rose und raffte die Röcke an ihre Brust, als Mary sich über sie beugte und ihre linke Hand auf den weichen, schneeweißen Leib legte. »Frau, ich –«
»Sie lassen mich meine Arbeit tun«, sagte Mary mit dunkler Stimme. Dann schob sie die Finger ihrer rechten Hand in die Öffnung, die sich verbotenerweise einem Mann dargeboten hatte. Rose stieß einen spitzen Schrei aus und presste die Beine zusammen. Penelope umgriff ihren Arm, strich sacht über ihr Gesicht, »Schsch, Mylady –«
»Sie lassen mich meine Arbeit machen«, wiederholte Mary finster und versuchte, die Beine der Lady wieder auseinanderzuziehen. Rose keuchte vor Angst. Der weiße Leib wackelte wie ein riesiger Pudding, während sie langsam ihre Beine wieder öffnete, woraufhin sich die Hand der Hebamme tief in sie hineinsenkte, um abzutasten, wie weit das Unglück gediehen war. Rose begann zu schluchzen, sie klammerte sich mit beiden Händen an Penelope …
»Es war hohe Zeit, dass Sie kamen«, bemerkte Mary und zog ihre Hand zwischen den Schenkeln hervor. »Ich kann Sie nicht mehr nach Hause gehen lassen.« Ohne zu zögern, nahm sie einen langen silbernen Stab und fettete ihn mit Salbe aus einem Tiegel ein. Penelope hielt den Atem an. Der Stab und die unnachgiebige Art und Weise, wie er gleich in der Frau verschwinden würde, machten ihr Angst. Obwohlsie wusste, dass die Hand
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