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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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Deck schissen sie sich am Typhus tot und starben im Fieber … Aber wenn es nichts zu beißen gibt, hast du keine Wahl. Mein Mädchen drüben in Brighton hat sich ’nen anderen genommen, einen, der abends nach Hause kommt und ihr Bett wärmt. Aber es gab nichts mehr für mich da drüben, also hab ich wieder angeheuert. Auf dem Schiff kriegst du wenigstens zu essen, du musst es nicht stehlen.« Ein scheues Lächeln umspielte seine harten Züge. »Jetzt ist es genug. Diesmal bleib ich hier –«
    »Freiwillig?«, entfuhr es ihr.
    »Warum nicht? Für einen freien Mann wird es hier wohl etwas geben – mehr als im verdammten London, wo du den Himmel nie ganz zu sehen bekommst und wo die Geldverleiher dir die Haut von den Knochen ziehen. Manchmalmuss man im Leben etwas Neues beginnen. Na ja, ihr Sträflinge habt ja keine Wahl.« Er grinste schief über seinen blöden Witz. »Aber ehrlich, Mädchen, ich glaube, wenn man es schlau anstellt und kein verdammter Ire ist, kann man es hier unten wohl zu etwas bringen. Denk daran: Vor dir liegt das Land. Nur auf dem Land kannst du laufen. Schau niemals zurück.« Mit beiden Händen packte er die Seile der Wanten, als wolle er zeigen, wie er sich zum Entern seines neuen Lebens bereitmachte. Seine Entschlossenheit sprang auf sie über, dennoch zauderte sie. Die alte Resignation aus dem Kettenlager wollte sich zurückmelden. Wie ein schwerer Sack hing sie auf dem Rücken und verhinderte den Aufbruch. Es war an der Zeit, den Sack abzustreifen. »Sieh doch, wie bunt dieses Land ist«, freute er sich. »Wenn das Abendlicht auf die roten Berge fällt, sieht es aus, als ob sie jemand angezündet hat. Und die riesigen Bäume – nirgendwo in England wachsen so hohe Bäume! Und ganz eigenartige hüpfende Tiere habe ich gesehen und bunte Vögel –«
    »Kann ich noch unter Deck, bevor wir an Land gehen?«, fragte Penelope, weil ihr ein Gedanke gekommen war.
    Erstaunt starrte der Mann sie von der Seite an.
    »Ich … mein …« Penelope stotterte über ihrer Idee, die zerlumpten Reste eines Umhangs könnten ihr an Land gute Dienste leisten. Sie habe ihn versteckt, weil sie Angst gehabt habe, man würde ihn ihr stehlen. Alles, was man gegen Rum eintauschen konnte, war in den vergangenen Wochen gestohlen worden, mancher besaß wirklich nur noch die Lumpen auf dem Leib.
    »Na, beeile dich«, meinte der Aufseher. »Das hab ich ja noch nicht erlebt, dass einer freiwillig da runter will!« Aufmunternd zwinkerte er ihr zu, und sie war froh, dass erkeine weiteren Fragen stellte. »Aber mach schnell, nicht dass einer auf die Idee kommt, dass du dort unten besser aufgehoben bist.« Er zündete eine Laterne an und reichte sie ihr.
    »Danke«, flüsterte Penelope.
    War es Leichtsinn, der sie die Stiege hinuntertrieb, über die glitschigen Stufen, die Hand auf dem verrottenden Seil? Sie erinnerte sich, dass es einmal glatt gewesen war. Die langen Wochen der Stille hatten seine Fasern emporwachsen lassen, und es fühlte sich stachelig und fremd an.
    »Du hast hier nichts mehr verloren«, schien es zu raunen.
    »Ich will etwas hierlassen«, flüsterte sie. Nicht nur der versteckte Umhang trieb sie hier hinunter. Jetzt, wo das altbekannte Dämmerlicht sie empfing, wusste sie es: Sie musste Abschied nehmen, um neu anfangen zu können. Sie musste ein letztes Mal die Schellen anfassen, die muffige Luft einatmen – ein letztes Mal der furchtbaren Angst gedenken, die sie wochenlang geknechtet hatte. Diese Angst abstreifen, die sich auf ihrem Rücken festgekrallt hatte, die sie gelähmt und ihr die Luft genommen hatte. Sie würde ohne diesen Ballast an Land gehen.
    Ein wenig verloren fühlte sie sich ohne das Kind, das die letzten Tage immer häufiger ruhig bei ihr geschlafen hatte, als sei es endlich bei seiner Mutter angekommen. Sie hatte es Mary in die Arme gelegt, es schien ihr jetzt auch nicht richtig, golden schimmernde Engelshaare in die Dunkelheit zu tragen.
    Die Planken waren von grünlichem Modder überzogen. Er zwängte sich zwischen ihre Zehen und kroch den Fußrücken hoch. Lange war niemand mehr hier gewesen. Kleine Schatten huschten ihr um die Füße. Die Ratten hattendas Deck unter sich aufgeteilt und quiekten ärgerlich über den Störenfried. Eine sprang ihr ans Bein und versuchte hineinzubeißen. Mit einem Schrei schleuderte sie das Vieh von sich und stampfte auf den Boden, um alle anderen für ein paar Augenblicke zu vertreiben. Angewidert hob sie die Laterne etwas und bemühte sich, nicht

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