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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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Danach verlor sie das Bewusstsein.
     
    Es war, als hätte das Kind einen Schleier der Unschuld über die Miracle geworfen. Seit es auf der Welt war, schien die Sonne nicht mehr so gnadenlos, sondern freundlich und durch einen Schleier aus Dunst. Ein leichter Wind milderte die Hitze. Man hatte den Frauen erlaubt, auch des Nachts an Deck zu bleiben, nachdem eines der schwächelnden alten Weiber auf ihrem Lager unter Deck im Schlaf von Rattenangefallen worden war. Die Seeleute hatten darüber gelacht, doch der Schiffsarzt hatte gehandelt und erneut über den Kopf seines Vorgesetzten hinweg Entscheidungen getroffen. Die Aufseher hatten sich darüber beschwert, weil sie die verhassten Gefangenen nun den ganzen Tag bewachen mussten.
    »Das Deck werdet ihr dreimal täglich von eurer Scheiße befreien«, hatte einer der Männer geblafft und Bürsten verteilt. Also lagen die Frauen nun auf den Knien und schrubbten das Deck. Doch wurden sie immerhin nicht mehr bei jeder Gelegenheit mit Füßen getreten – als ob das Kind sie davor schützte. Der goldschimmernde Flaum auf seinem Kopf und die tiefblauen Augen mochten so manchen an einen Engel erinnern. Vielleicht war ja einer zu ihnen gekommen.
    Das Kind bestimmte in seinem Umfeld das Leben der Frauen. Jede von ihnen reckte den Hals, wenn es weinte, versuchte, einen Blick darauf zu erhaschen – und alle beobachteten Penelope bei ihren ungeschickten Versuchen, es zu beruhigen. Anfangs hatte es noch Kopfschütteln und Ratschläge gegeben, doch Jenny und Mary schirmten sie vor allzu großer Neugier ab und nahmen das Kind in ihre Obhut.
    Penelope war ihnen dankbar dafür. Das Kind war ein Wunder in ihrem Leben, mit dem sie noch nicht zurechtkam. Oft schaute sie es einfach nur fassungslos und hingerissen an, statt sich den praktischen Dingen zu widmen. Sie war jetzt Mutter, so wie Mary. Immer häufiger breitete sich ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht aus, wenn die Kleine in ihrem Arm lag und friedlich schlief.
    Weil der Kaplan zu krank war, taufte Kapitän James Haddock das Kind auf den Namen Lily und empfahl es GottesFürsorge an. Diese Fürsorge würde es bei so einer jungen Mutter auf dieser Reise auch brauchen, darin waren sich alle einig. Nur ganz zu Beginn hatten ein paar Frauen nach dem Vater gefragt, neugierig zwar, aber doch voller Anteilnahme. Penelope schwieg beharrlich auf die Fragen. Sie hatte Liam nicht wiedergesehen. Der Ire war tot. Es gab keinen Vater.
    Das Kind brachte auch den Gesang zurück auf das Schiff. Hatten die Männer zu Beginn der Reise noch viel gesungen, war über Sturm, Übelkeit und die harten Strafen des alten Kapitäns jede Melodie verstummt. Die neunschwänzige Katze hatte schließlich auch die letzten Stimmen niedergefaucht. Seit James Haddock das Ruder führte, hatte das Grüppchen der Sänger zu ihren Liedern zurückgefunden, und in den Abendstunden, wenn das Licht des südlichen Meeres sanft in den Segeln spielte, erklang jene Melodie, mit der sie London verlassen hatten, wie ein Wiegenlied nicht nur für das kleine Mädchen mit den blauen Augen, sondern für alle, die sich nach einem Zuhause und zärtlichen Armen sehnten.
    »When we dwell on lips of the lass we adore, not a pleasure in nature is missing. May his soul be in heaven, he deserves it, I’m sure, who was first the inventor of kissing …«
    Das Lied half gegen den ständigen Schwindel und den Hauch von Übelkeit, der einen auch nach den vielen Wochen auf See nicht verließ und der so manchen zermürbte. Doch die Frauen hielten sich gegenseitig zum Essen an, jede sorgte für ihre Nachbarin. Das Kettenlager hatte die kleine Gemeinschaft stark genug dafür gemacht.
    Richtig munter war es bei den Männern geworden, so erzählte Carrie. Sie vertrieben sich vor allem die Zeit mit Spielen, was streng verboten war und von den gelangweiltenOffizieren argwöhnisch beobachtet wurde. Doch auf geheimnisvolle Weise hatte das Spiel ihnen den Weg zu den Rumfässern geöffnet, jenen unseligen Fässern, denen das Trinkwasser zum Opfer gefallen war. Rum würde am Ende der Reise Geld eintragen, ein leeres Wasserfass hingegen war wertlos. Von dem erhofften Geld würde der tote Kapitän nichts mehr haben. Bis Botany Bay gab es nun keinen Hafen mehr, wo man Wasser hätte an Bord nehmen können, und so stieg ein Schluck Rum beträchtlich im Wert.
    Penelopes Gesicht verlor allmählich an Blässe, und Mary freute sich, wie sie wieder Anteil am Leben zu nehmen schien. Bisweilen sang sie sogar mit

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