Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
Vom Netzwerk:
nassen Begräbnisses. Als sie schon dachte, der Tod schmecke salzig, holten kräftige Hände sie doch noch aus dem Wasser und ruderten mit aller Kraft fort von dem brennenden Schiff, das halb auf der Seite lag und nach einer letzten Explosion einfach im Meer versank. Trümmer flogen wie Geschosse über ihre Köpfe, die Druckwelle im Wasser erwischte das Boot und kippte es mit allen Insassen um.
     
    Carrie saß noch eine Weile bei ihr. Sie hatte sie am Ufer gefunden, wo man die Sträflinge in eine Reihe gesetzt hatte, um durchzuzählen und Verluste zu verbuchen. Thelma. Jenny. Mary MacFadden. Sosehr Penelope sich umgeschaut hatte, sie hatte die Mutter unter den Überlebenden nicht entdecken können, und so landete auch Marys Name auf der Liste der Vermissten. Den Namen ihres Kindes brachte Penelope gar nicht erst über die Lippen, sie zitterte nur und legte ihren Kopf an Carries Schulter.
    Helfer schwärmten aus, führten Verletzte an bessere Plätze. Haddock rief nach seinem Ersten Offizier, der Schiffsarzt lag kotzend im Schatten einer Palme. Die meisten Schiffbrüchigen jedoch kauerten im heißen Sand, stierten vor sich hin und reagierten nicht einmal, als man ihnen Decken umhängte und Kannen mit dünnem Wein brachte.
    Mit dem letzten Licht des Tages versank am Horizont das brennende Wrack mitsamt seinen geladenen Kanonen im Meer – die Gefahr war endgültig vorüber. »Und niemand wird sich mehr für die Machenschaften dieses Hurenbocks interessieren«, meinte da jemand neben Penelope.
    »Was …?« Verwirrt blickte sie auf.
    Carrie rückte dichter an sie heran. Ihr nasses blondes Haar hing bis auf ihre nackte Brust herab. »Na, alles ist verbrannt, all die schlauen Bücher, wo sie eintragen, wer geprügelt worden und wer gestorben ist. Und wie viel Essen sie verteilt haben. Mancher Kapitän hat für seine Grausamkeit bezahlen müssen.«
    »Der Kapitän ist doch schon tot.« Das Wort warf ein grausiges Echo. Sie schaffte es nicht weiterzudenken.
    »Stimmt. Und wie tot er ist.« Carries Stimme klang viel zu gut gelaunt. Wieso redete sie so? Penelope ertrug das Gerede kaum, wollte aufstehen und weggehen, doch ihre Beine knickten nach dem zweiten Schritt schon unter ihr weg, und sie stürzte in den heißen Sand … Sand brannte auf der Gesichtshaut, drängte sich zwischen die ausgedörrten Lippen. Sie wollte liegenbleiben. Warten, dass der dumpfe Schmerz in ihrem Herzen aufhörte. Warten, dass etwas Gutes geschah. Warten, dass die Mutter kam, mit dem Kind …
    »Schnell, setz dich hin, Mädchen, die Kerle kommen.« Carrie riss sie von hinten hoch, zerrte sie neben sich. »Mach dir das Haar glatt – sie kommen! Die Kerle, die sich Frauen aussuchen!«
    »Ich dachte, wir kommen ins Gefängnis.«
    »Wenn wir Glück haben, kommen wir in einen Haushalt!«
    »Aber … wir sind doch verurteilt worden – vierzehn Jahre!«Sprechen war so mühsam. Penelope rieb sich die Augen, als würde das helfen, Carries Aufregung besser zu verstehen. Es half nicht, obwohl Carrie sich alle Mühe gab.
    »Vergiss, was hinter dir liegt, Penny«, sagte sie eindringlich. »Schau nicht zurück. Jetzt musst du dein Glück machen – jetzt! Schau, sie kommen! Du hast nur diese eine Chance, Penny. Einer von den freien Kerlen muss für dich sein!«
     
    Sydney kannte kein Mitleid. Nun, wo die Gefangenen der Miracle an Land waren, wenn auch nicht auf gewöhnlichem Wege, konnte man sie auch verteilen, wie es bei jeder Schiffsankunft praktiziert wurde. Strand und Anlegestelle füllten sich mit Menschen, Karren und Kutschen. Haarige Köter rannten schnüffelnd zwischen den Schiffbrüchigen umher, schnappten nach abwehrenden Händen. Vierschrötige Kerle pickten sich die kräftigsten Männer heraus und verluden sie auf Karren. »Feldmänner«, hörte man, »die müssen sich totschuften, Gott sei ihnen gnädig.« Oberarme wurden angefasst, zerfetzte Hemden angehoben, um Brustmuskeln anzuschauen. Penelope schrie entsetzt auf, als ein Mann vor ihr stand, sie auf die Füße stellte, mit der Rechten ihren Arm, mit der Linken ihren schmerzenden Busen quetschte.
    »Die hier gibt ja noch Milch!« Er lachte grob und ließ sie in den Sand zurückfallen. Sie rollte sich weinend zusammen und reagierte auch nicht mehr, als der Mann sie mit Füßen trat.
    Andere Weiber waren schlauer. Unter ihren Armen hindurch sah Penelope, wie Haare rasch geflochten und ordentlich zurückgestrichen wurden, sie sah erwartungsvoll lächelnde Gesichter – Frauen, die sich anboten.

Weitere Kostenlose Bücher