Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
Vom Netzwerk:
gehen. Gott nahm sie ihr aus der Hand. Gott in Gestalteines seiner eifrigsten Diener in New South Wales. Reverend Samuel Marsden war vor vielen Jahren in die Kolonie gekommen, um das Wort Gottes zu predigen und Schafe zu hüten, und er pflegte seine vierbeinigen Schafe mit den zweibeinigen zu vergleichen und zu wettern, dass Letztere am Abgrund der Hölle lebten.
    »Wenn ihr nur eine leise Ahnung von den Qualen der Hölle hättet«, schrie er eines Sonntags von der Kanzel, als Penelope neben Joshua in dem schmalen Holzhaus saß und wie viele andere weniger die Predigt als vielmehr die Kühle der Kirche genoss. Sie blinzelte, um Marsden besser zu erkennen, doch das Gesicht des Predigers blieb konturlos.
    »Wenn ihr nur ahntet, welche Arten von Qualen euch erwarten, wenn das Blut der Geißeln und der neunschwänzigen Katzen um eure Ohren fliegt und ihr den Durst von tausend wasserlosen Jahren erleiden müsst, würdet ihr euch bessern und ein gottesfürchtiges Leben führen! Eure Gleichgültigkeit aber wird euch geradewegs in die Feuer führen, aus denen es kein Entrinnen gibt, und sie wird euch mit scharfkantigen Schellen an die Gitter ketten! Eure Gleichgültigkeit wird euer Kerkermeister sein und an euren Eingeweiden picken, so lange, bis ihr eure Sünden bereut.«
    »Meine Eingeweide musst du mir schon aus dem Leib prügeln, bevor du daran picken darfst«, murmelte Joshua grimmig.
    Hinter ihm lachte jemand leise. »Lebensmüde oder verliebt, Joshua Browne? Halt lieber deine Klappe und hüte weiter deine Schafe. Ich habe gehört, dass Spitzel unterwegs sind.«
    »Soll er die doch an seine Gitter flechten«, gab Joshua unbeeindruckt zurück.
    »Die Saat der Rebellion wurde in der Hölle geboren!«,schrie Marsden über ihnen, und sein fettes, rundes Gesicht glänzte vom Schweiß. »Und sie blüht unter euch schlechten Menschen, sie wirft ihre Samen aus und überwuchert auch die, die noch vor den Toren der Hölle stehen und vielleicht gerettet werden könnten! Wenn die Schlechten nicht ihre Netze auswerfen würden – nieder mit der Schlechtigkeit! Bekennt – bereut – rettet eure verdammten Seelen, ihr armseligen Kreaturen!«
    »Die Spitzel schmoren schon längst in der Hölle. Mich kriegt der nie«, brummte der Hirte und verschränkte seine schwieligen Hände.
    »Warum sollte er dich kriegen?«, wisperte Penelope beunruhigt. »Hast du was ausgefressen?«
    »Das ist Ansichtssache«, flüsterte er grinsend zurück. »Wir haben ein paar Pläne geschmiedet, die Jungs und ich, und vielleicht schmecken sie dem Reverend nicht.«
    »Bist du wahnsinnig?«, raunte sie atemlos. »Was für Pläne?«
    »Nichts Schlimmes«, beruhigte er sie leise, »ich hab ihnen nur geholfen, einen Platz für das Schießpulver zu finden, mehr nicht. Aber er wird mich nicht kriegen.«
    Doch darin sollte Joshua sich irren, und möglicherweise hatte er mehr getan, als nur den Platz für das Schießpulver zu finden. Sie warteten vor der Kirche auf ihn, rissen Penelope so brutal von seiner Seite, dass sie in die Gosse neben der Kirche fiel und mit ansehen musste, wie der Schafhirte von Reverend Marsden, der in zweiter Eigenschaft auch Magistrat war, wegen Anstiftung zur Unruhe zu einhundert Streichen verurteilt wurde. Assistenz bei seinem Urteil bekam der Priester dabei von einem gelbgesichtigen Magistraten, den sie noch nie zuvor in Parramatta gesehen hatte, der jedoch das entsprechende Papier sofort unterzeichnete,damit es kein Gerede gab, denn jeder wusste ja, dass Joshua in den Diensten des Reverends stand.
    Den beiden war bei der Vollstreckung der Strafe ein blasiert wirkender, hochgewachsener Mann mit schlohweißem Haar behilflich – der Doktor von Parramatta, wie jemand verächtlich flüsterte.
    »Dir kann gar nichts passieren beim Auspeitschen, der Doktor ist ja bei dir!«, rief mutig eine Stimme aus dem Publikum.
    Der Doktor drehte sich kopfschüttelnd nach ihr um, in der Hand die Peitsche, die er offenbar auf Tauglichkeit hin untersuchte und die er dann Bert Cowles reichte, dem Metzger des Ortes, der für den Magistrat gleichzeitig als Henker fungierte. Alle Beteiligten nickten einander ernsthaft zu, und Cowles hob den Arm.
    »Heee!«, rief Penelope und rappelte sich aus dem Schlamm hoch, um ihren Beschützer der Peitsche zu entreißen, weil sie es nicht ertrug, dass noch jemand vor ihren Augen halbtot geprügelt wurde.
    Da zerriss der erste Hieb die Stille.
    Penelope schrie auf. Ein harter Schlag traf sie von hinten am Kopf. »Schau ruhig

Weitere Kostenlose Bücher