Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
zu, Dirne, schau zu, was wir mit Aufsässigen und Dieben hier tun«, knurrte jemand neben ihr. Eine Faust schloss sich um ihren Nacken und zwang sie auf die Knie. »Keine Sorge, seinen Schwanz lassen wir dir. Den Rest allerdings wirst du so schnell nicht wiedererkennen.«
Penelope kannte die Sprache der neunschwänzigen Katze. Sie wusste, was sie aus einem Menschen machen konnte. Die einfachen Worte, die Zischlaute, das Fauchen – sie kannte alles noch vom Schiff. Sie wehrte sich noch, als die Katze ihr Fauchen begonnen hatte und ihre Krallen in denRücken des Schafhirten grub. Ihr Fauchen durchschnitt die Stille. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, die erste Wolke seit vielen Tagen. Joshua presste sein Gesicht gegen den Baum, an den man ihn gefesselt hatte. Der Doktor war mit seinen Händen an allen Fesseln entlanggefahren und hatte sie für ausreichend befunden – der Delinquent konnte sich keinen Zoll weit bewegen.
Die Faust in ihrem Nacken ließ erst locker, nachdem Penelope sich erbrochen hatte. Würgender Husten schüttelte sie, sie hatte geglaubt, nach dem Auspeitschen an Bord alles ertragen zu können, doch hier ging ein Meister zu Werke. Von Joshua Browne hatte man indes auch nach zwanzig Hieben keinen Laut gehört. Die Zuschauer schwiegen, Penelope war die Einzige, die weinte.
»Ekelhaftes Ding!«, stieß ihr Peiniger hervor, und wie zum Hohn kam die Sonne hinter der Wolke hervor und ließ sein blondes Haar schimmern. Verzweiflung verlieh ihr die Kraft, von ihm wegzukriechen, zwischen den Beinen der Herren hindurch, die sich das Schauspiel des prügelnden Pastors, wie man Marsden furchtsam nannte, nicht entgehen lassen wollten. Nicht nur seine Predigten, auch seine Auspeitschungen waren legendär.
Als die einhundert Streiche ausgeteilt waren, übernahm der Doktor es, die Stricke zu durchtrennen. Auf einen Wink kam ein Karren angerumpelt, doch zum Erstaunen aller drehte Joshua Browne sich um, musterte den Doktor finster und sagte: »Steckt euch euer dreckiges Hospital in den Arsch. Keinen Fuß setze ich in diese Totenpresse. Lieber sterbe ich in meinem Bett.« Schwankend, aber aufrecht verließ er den Kirchplatz.
Jemand klatschte.
»Verfluchte irische Pest!« Marsden spuckte hinter ihmaus. Mehr unternahm er nicht – die Strafe war ja nun erledigt, und sobald er genesen war, würde der Schafhirte wieder für ihn arbeiten. Und in Parramatta ging man zur Tagesordnung über, man sprach noch ein wenig miteinander, spazierte in der Sonne und traf sich später als sonst zum Tee.
Die Messe an diesem Morgen hatte ein wenig länger gedauert.
Joshua lag schon in seinem Zelt, als Penelope am frühen Abend dort ankam. Sie hatte ihn zuerst im Hospital gesucht, in banger Hoffnung, dass er sich doch noch mal überlegen würde, die Hilfe des Doktors in Anspruch zu nehmen. Doch da kannte sie den Hirten schlecht …
»Von mir aus kann er verrecken«, hatte der Doktor kalt gesagt. »Er ist ein verdammter Ire, da ist’s um einen weniger nicht schade. Wenn er gekommen wäre, hätte ich ihn rausgeschmissen. Frag ihn selber nach dem Grund.« Die Pflegerin hatte hinter vorgehaltener Hand gemeint, sie könne auch die Frau des Doktors fragen. Wenn die genug Rum getrunken hätte, hätte sie ein paar Geschichten zu erzählen. Penelope wollte gar nicht mehr hören, es wären ja doch nur Tratschgeschichten gewesen, über wer mit wem und wie oft. Sie wusste nie, ob sie eine Erfindung gelangweilter Menschen waren oder bittere Realität. In der ganzen Stadt war sie herumgeschlichen und hatte ihn gesucht. Hier war er gesehen worden und dort und im Schnapshaus, doch nirgendwo hatte sie Glück. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als in der Dämmerung, solange sie den Weg ohne Laterne noch fand, zum Zelt zurückzulaufen. Sein Stöhnen verriet ihn. Er lag auf dem Bauch und klopfte mit der Faust in die Decken, wieder und wieder, wie manche Frauen esin den Wehen taten. Zwischendurch hob er den Kopf und trank aus seinem Rumbecher. Als er sie kommen hörte, hielt er ihr den Becher wortlos zum Auffüllen hin. Rasch goss sie ihn voll und trank selbst einen tiefen Schluck aus der Kanne.
»Was soll ich noch machen?«, flüsterte sie entsetzt.
»Nichts«, keuchte er in seine Decken. »Warten. Apari wird kommen.«
»Aber …«
»Halt’s Maul, er wird kommen«, blaffte Joshua. »Wenn du das nicht aushalten kannst, dann geh.«
»Ich … ich kann … ich will –«, stotterte sie, doch der Hirte hörte ihr nicht zu. Stumm blieb
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