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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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betrügen. Arbeiter hingegen schimpften, dass ihre Essensportionen gekürzt wurden, dass man sie ohne Schuhe im Feld arbeiten ließ oder ihnen Decken vorenthielt. Und die Weiber, die beim Schnapshaus im Schmutz lagen und ihre Dienste wohlfeil boten, waren auch nicht gerade ein Hoffnungsschimmer.
    Und wer in der Fabrik sollte ihr einen Löseschein ausstellen? Mrs. Soakes, die immer grimmiger Schläge austeilte? Man konnte sich nicht einfach eine neue Arbeit suchen. Wie kam Ann auf diesen Gedanken? Aber sie war zu müde, um sich zu streiten, Anns Energie, gute Beispiele herbeizuzaubern und ein rosiges Bild ihres Schicksals zu malen, schien unerschöpflich, und so ließ sie ihr Geplauder wie warmes Wasser an sich herabrieseln und rührte im Kessel des Schafhirten Graupensuppe.
    »Sei doch nicht so ängstlich«, redete derweil Ann weiter und erzählte von einem, der als Fassbauer zu Reichtum gekommen war und dessen Weib, einst wegen Kleiderdiebstahls bei der Herrschaft zu vierzehn Jahren verurteilt, in feinen Kleidern am Hafen von Sydney spazierte und mit den Damen der Stadt Tee aus chinesischen Porzellantässchen nippte. Penelope fragte nicht, wann Ann Pebbles von der Farm weit hinter Parramatta sie je gesehen haben wollte.Aber das Bild, das sie zeichnete, war hübsch. Eine diebische Gouvernante mit spitzenumkränztem Sonnenschirm, die in den Kreisen ihrer ehemaligen Herrschaft nun Tee trank und sich den Bankert eines Handwerkers hinterhertragen ließ.
    Anns Hand glitt lockend über Penelopes nackten Rücken bis hinunter zu den Hüften, über die sich dank Joshuas großzügig bemessener Essensportionen langsam eine dünne Fettschicht legte.
    »Unsere Angst haben wir in England zurückgelassen. Dieses Land steht uns offen. Alles steht uns offen, wenn wir nur wollen. Lass uns weggehen aus diesem stinkigen Parramatta, Penny.«
    Das sagte sie jedes Mal. Dann tranken sie einen Becher und noch einen und legten sich zwischen die Decken. Und aus Anns Plänen wurde aber nichts, nicht an diesem Tag und nicht am nächsten.
    Stattdessen reihte sich Tag an Tag, und die Eintönigkeit ihres Daseins ließ sie beinahe vergessen, dass sie nicht alleine nach New South Wales gekommen war. In wachen Momenten wollte Penelope losspringen und sich auf die Suche machen. Hätte sie den Tod ihrer Mutter und des Kindes nicht spüren müssen?
    Der Rum lähmte ihre Füße. Ihren Willen lähmte er sowieso.
    Heynes’ Farm lag einen guten Fußmarsch südlich von Parramatta am Fluss. Penelope war gleich nach der Arbeit aufgebrochen, vorher hatte sie ihr Pensum besonders zügig abgearbeitet. Die anderen hatten sie ausgelacht, dass sie einen Besuch machen wollte, statt ordentliches Geld zu verdienen. »Unsere Penelope ist eben was Besonderes, sie sieht, was wir nicht sehen«, hatte sich Mrs. Soakes mokiert
    Die Hitze drückte nicht so wie sonst, und Penelope hatte sich mutig genug gefühlt, der Stadt den Rücken zu kehren und sich in die schier undurchdringliche Natur zu wagen, um Ann Pebbles einen Gegenbesuch abzustatten. Nirgendwo in London gab es so viele Bäume wie hier! Auf dem Trampelpfad fand sie Schafskot, der auf die Pioniere hinwies. Die rote Erde stach scharf vom grauen Einerlei des Waldes ab. Penelope hob kaum den Kopf, sie hätte zwischen den Bäumen ohnehin nicht viel erkannt. Ihre neuen Schuhe saßen fest geschnürt am Fuß. Kräftig schlug sie mit einem Stock auf das Gras, um Schlangen und Skorpione zu vertreiben. Das hatte Joshua ihr angeraten. Er hatte ihr auch den Weg zur Farm beschrieben. »Nimm dich vor Heynes in Acht«, hatte er noch gesagt.
    »Warum?«, hatte sie gefragt.
    »Das wirst du schon sehen«, hatte er gebrummt und sich zum Schlafen umgedreht.
    In einem lichtgrauen Bett aus Eukalyptusrinde döste das Haus im Schatten der hohen Bäume. Begrenzt wurde der Wald durch niedrige Zäune, hinter denen sie Milchziegen grasen sah. Die Schafe sprangen zwischen Bäumen und Büschen umher, bewegten sich zum Lied der klagenden Lämmer. Geschickt an einem kleinen Seitenarm des Flusses erbaut, war die Farm weit genug vom Sumpfland entfernt. Nur wenige Mücken tanzten vor Penelopes Gesicht, und die Luft strich angenehm kühl durch die Bäume.
    Mr. Heynes, so wusste sie von Ann, war als freier Siedler nach New South Wales gekommen, er gehörte also zu den »Besseren« in der Kolonie und hatte daher vom Reverend dieses hervorragende Weideland am Fluss zugesprochen bekommen. Hier versuchte er sich nun als Gemüsebauer und züchtete wie sein

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