Der Duft Der Wüstenrose
Regenzeit.« John grinste. »Es muss woanders sehr stark geregnet haben, dann füllen sich die Riviere oft in Sekundenschnelle mit Wasser.«
Fanny sah zu Zahaboo, die sie triumphierend anlächelte, aber kein Wort sagte.
»Früher floss der Tsauchab noch bis in den Atlantik, so wie der Kuiseb, sieht fast so aus, als würde er es diesmal schaffen …« John rieb sich die Hände und sah zum ersten Mal seit Tagen glücklich aus.
»Wir werden also nicht verdursten.« Fanny spürte ein unbändiges Bedürfnis, sich ins Wasser zu werfen und einfach nur treiben zu lassen. Sich endlich satt zu trinken und dann zu waschen. Sie sah sich nach dem Karren um, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. Die Fluten mussten ihn mitgerissen haben.
Zahaboo hatte einige Beutel und die Kalebassen mit Amasi weit oben in den Kameldornbaum gehängt, die sie jetzt gelassen wieder einsammelte und sich umhängte.
Dann stieß sie einige ihrer Jodelrufe aus und suchte nach den Pferden, ganz so, als ob sie sofort weiterziehen würden.
»Können wir nicht hierbleiben, Wasser trinken und schla fen, nachdem wir nun keine Angst mehr vor unseren Verfolgern haben müssen?« Egal wie die Antwort lautet, dachte Fanny, ich gehe keinen Schritt mehr.
John schüttelte den Kopf. »Nein, wir wissen nicht, ob der Tsauchab nicht noch weiter über die Ufer tritt. Hier ist kein sicherer Platz, wir müssen noch ein Stück weiter bis zum Sossusvlei, dort endet der Fluss, umgeben von großen Dünen, in einem See. Erst dort sind wir sicher.«
Fanny wollte widersprechen, dann dachte sie an die monströse Flutwelle und wusste, dass John recht hatte. Zähneknirschend schluckte sie alle Proteste herunter und schleppte sich weiter.
34
E s wurde schon dunkel, als sie am Sossusvlei ankamen. Der Weg am Fluss entlang war sehr viel weniger beschwerlich gewesen, als Fanny gefürchtet hatte, trotzdem war sie froh, als sie im flammenden Licht der Dämmerung endlich den See erreichten, der ihnen unwirklich wie eine Fata Morgana zwischen den Dünen entgegenschimmerte.
Einige Kameldornbäume säumten die andere Seite des Sees, dort, oberhalb des Ufers, schlugen sie ihr Lager auf.
Zahaboo erklärte ihrem Sohn, dass sie noch etwas zu erledigen hätte, etwas, bei dem sie allein sein musste. Sie füllte ein wenig Wasser in einen Wasserschlauch, erst für sich, dann wiederholte sie das Ganze und reichte ihn Fanny. Sie riet ihr zu warten, bis sich der Sand unten abgesetzt habe, weil das Wasser durchsetzt sei von Wüstensand, den der Fluss vor sich her durch das Rivier geschoben hatte. Dann nickte sie allen zu und wanderte davon.
»Sie wird auf den Umama hinaufsteigen, dort mit den Ahnen reden und ihnen für das Wasser danken«, erklärte John und zeigte zu einer besonders hohen rosakupfernen Düne.
»Woher nimmt deine Mutter diese Kraft?«, fragte Fanny, die keinen Meter mehr hätte gehen können. Ihre Beine zitterten, und ihr Magen zog sich ständig zusammen, als könnte er nicht glauben, dass sie ihm immer noch nichts zu essen gab. Sie ließ sich in den Sand fallen, und John setzte sich mit Lottchen auf dem Arm neben sie.
»Sie hat ein hartes Leben hinter sich, und vergiss nicht«, John lächelte, »sie ist eine inyanga , und die können sich vom Licht des Mondes ernähren.«
»Warum war ihr Leben so hart?«
»Sie wurde im Osten Südafrikas als Zulu-Prinzessin geboren, aber von ihrem Stamm verstoßen, weil man sie der Schwarzzauberei verdächtigte. Dann hat sie meinen Vater kennengelernt, der sich in sie verliebte und mit ihr von Südafrika nach Deutsch-Südwest zog, wo sie weder von den anderen Weißen noch von den Herero und Nama akzeptiert wurde. Aber die beiden haben sich so geliebt, dass sie es in Kauf genommen haben, und ihre Farm wurde immer größer, mein Vater immer wohlhabender.« John grinste spöttisch. »Sehr zum Ärger der deutschen Nachbarn, die es gern gesehen hätten, wenn diese sündige Verbindung von Gott mit Krankheit und Elend bestraft worden wäre. Doch als mein Vater starb, mussten wir die Farm verlassen, weil die weißen Verwandten sein Testament anfochten und alles bekamen. Uns blieb nichts.
Deshalb zog meine Mutter weiter nach Norden zu den Ovaherero, wo sie sich ganz unerwartet noch einmal verliebte. In Kahitjene, den jüngeren Bruder von Saherero. Doch dann wurde Saherero ermordet, weil er mit einer Weißen zusammen gewesen war.«
Saherero und eine Weiße. Damit musste Luise gemeint sein. John konnte nicht wissen, dass er von ihrer Mutter
Weitere Kostenlose Bücher