Der Duft des Blutes
gestrafften Bauch. In heißen Wellen stieg die Lust in ihm hoch. Er fühlte das Ziehen hinter seiner Oberlippe, als sich die spitzen Eckzähne hervorschoben. Ronja richtete sich halb auf und starrte in die rot glühenden Augen.
„Schsch", hauchte er und legte den Finger auf die Lippen. „Komm, sieh mich an, sieh mir in die Augen."
Er umschloss ihre Wangen mit beiden Händen und starrte so lange in ihre blaugrauen Augen, bis ihr Blick sich eintrübte. Dann ließ er ihren Oberkörper in den roten Satin zurücksinken. Noch einen Augenblick kniete er über ihr und genoss das unbändige Gefühl der Vorfreude, doch dann konnte er sich nicht länger zurückhalten. Er grub seine Zähne in ihre zarte Haut, dort wo am Halsansatz bläulich warm eine Ader zuckte, bis ihr Blut ihm warm und köstlich in die Kehle sprudelte.
Die Gier war noch lange nicht gestillt, als er von ihr abließ und sich mit einem Seufzer neben ihr auf das Bett sinken ließ. Sabines Geruch schwebte noch immer in seinem Geist, doch der brennende Schmerz hatte nachgelassen.
Der Vampir würde Ronja nicht töten, obwohl es ihn danach gelüstete, ihr auch noch den letzten Tropfen Blut zu rauben. Die Zeiten hatten sich geändert. In dieser Welt nahm man nicht einmal mehr den Tod einer Hure gleichmütig zur Kenntnis. Man ging der Todesursache auf den Grund und hetzte den Mörder. So hatte der Vampir mühsam gelernt, vorsichtig zu sein und seine Triebe zu disziplinieren - auch wenn es ihm immer noch schwerfiel.
Peter von Borgo leckte Ronja einen letzten hervorquellenden Blutstropfen vom Hals, küsste ihre bleichen Lippen und verließ dann die Wohnung.
St. Georg lag in tiefem Schlaf. Nur ab und zu zischte ein Fahrzeug über die noch nassen Straßen. Vorn am Steindamm schwankten ein paar betrunkene Nachtschwärmer an den Eroticshops und Sexkinos vorbei, doch hier in der Langen Reihe war Ruhe eingekehrt. Peter von Borgo schob die Haustür auf und schritt langsam die Treppe hoch. Vor der Wohnungstür mit der Aufschrift Berner blieb er stehen.
Sollte er hineingehen? Sollte er einen Blick auf ihre schlafende Gestalt werfen? Würde er sich beherrschen können? Er sog noch einmal prüfend die Luft ein. Ein Hund! Die Augenbrauen hoben sich ein wenig. Nun, das würde kein Hindernis sein. Nur wenige Augenblicke später knackte das Türschloss.
Leila hob den Kopf, schnupperte und winselte leise. Sie verließ ihren Platz am Fußende des Kinderbetts und tappte in den Flur. Geräuschlos öffnete sich die Haustür, rot glühende Augen glänzten in der Finsternis. Wieder winselte der Hund. Seine Nackenhaare sträubten sich. Das war kein lieber Mensch, dem sie um die Beine streichen wollte, auch kein Böser, den sie verbellen sollte, und auch kein Tier. Was war es, das da langsam auf sie zukam? Leise, süße Töne schwebten durch die Nacht. Die Ohren der Hündin zuckten. Sanft schob sich eine Hand in ihren Nacken und glättete das gesträubte Fell. Leila legte sich nieder, schob die Schnauze unter die Pfoten und schloss die Augen.
Peter von Borgo schritt ins Wohnzimmer, dessen Fenster, von warm gelben Vorhängen gerahmt, zur Straße hinauszeigten.
Auf der niederen Anrichte hinter dem Esstisch standen ein Hochzeitsfoto und ein halbes Dutzend Bilder eines langsam heranwachsenden blonden Mädchens, erst als Baby auf dem Wickeltisch, dann mit krummen Beinen und Sonnenhut auf dem Kopf am Strand, dick vermummt auf einem Schlitten und in einem weißen Sommerkleid vor blühenden Rosen.
In der Küche roch es nach Tomaten und Pilzen, dunklem roten Wein und Kaffee. Die Spülmaschine blinkte, Weingläser standen umgedreht zum Abtropfen auf einem karierten Geschirrtuch.
Im Arbeitszimmer lag das Kind, das er auf den Fotos im Wohnzimmer gesehen hatte, auf einem aufgeklappten Sofa. Das blonde Haar ergoss sich über das mit Enten übersäte Kopfkissen, die Augen waren geschlossen, der rechte Daumen steckte zwischen den rosigen Lippen. Peter von Borgo betrachtete die zusammengekauerte Gestalt eine Weile, dann wandte er sich den Gegenständen auf dem Schreibtisch zu: wieder Fotos, an der Wand dahinter Postkarten, die mit Stecknadeln befestigt waren. Ein angefangener Brief lag auf der Schreibunterlage. Sein Blick huschte über die sich leicht nach rechts neigenden Buchstaben.
Hinter ihm regte sich das Kind, doch er las den Brief erst zu Ende, bevor er sich zu dem Mädchen umwandte. Julia hatte sich halb aufgerichtet und starrte im trüben Licht der kleinen Nachtlampe den schwarz
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