Der Duft des Bösen
sämtlichen Gesichtspunkten durchdacht, von Julittas Sicherheit bis zum zweckmäßigsten Vorgehen. Angenommen, Alexander Gibbons – nicht einmal in Gedanken duldete Anwar Pseudonyme – würde sie auf seine übliche Art strangulieren. Dann hätten sie – er, Keefer und Flint – ihn noch stärker in der Zange als jetzt, aber dessen bedurfte es ja gar nicht. Dass sie Recht hatte, würde er ihr nicht verraten. Käme ja überhaupt nicht in Frage. »Steht doch gar nicht zur Diskussion«, sagte er. »Das werde ich selbst erledigen.«
»Der Knacker wird dich wiedererkennen«, warf Flint ein.
»Überlass das mir.«
Aller Augen richteten sich auf Keefer, der in einem fürchterlichen Zustand in der Ecke von Anwars Zimmer auf dem Boden hockte. Der Rest saß auf dem Bett, und sonst gab es keine Möbel. Keefer hatte die Arme um seine angewinkelten Knie geschlungen, im Gesicht und am Hals sah er ganz grün aus und war schweißgebadet. Aus seinem Mundwinkel tropfte eine zähe Flüssigkeit. Von Zeit zu Zeit wimmerte er vor Schmerzen auf, ließ seine Knie los und schlug mit den Armen um sich. Momentan war er ruhig und schläfrig. Flint und Julitta hatten beide mit verschiedenen blumigen Ausdrücken angemerkt, er sähe aus, als würde er jeden Moment den Löffel abgeben. Jede ihrer Bemerkungen über diesen Entziehungsprozess bei harten Drogen bestand aus einem der vielen Dutzend Slangausdrücke, die dafür derzeit im Umlauf waren, während Anwar von »Rehabilitation« sprach und dabei diesem Wort einen finsteren Ton beigab.
Jetzt stupste er Keefer eine Zehe in die Rippen, wie wenn man einen schlafenden Hund zum Umdrehen bewegen möchte, zog dabei Zeinabs Diamantanhänger aus seiner Hosentasche und legte ihn zwischen sich und Julitta aufs Bett. »Das gehört dem Mädchen«, sagte Anwar, »der Schönen.« Dies kam von ihm so beiläufig, wie andere von »der Dunklen« oder »der Dünnen« sprechen würden. Einem Charakterkenner wie Inez hätte dies entweder eine angeborene innere Kälte oder einen aufkeimenden Sinn für weibliche Schönheit verraten, vielleicht auch beides.
Die anderen waren an seine merkwürdige Redeweise gewöhnt. »Woher weißt’n das?«
»Mein Kumpel hat’s mir gesagt, der Liebhaber der alten Russin. Sie ist mit einem komischen alten Arsch verlobt, der fünf Autos hat. Noch so ein reicher Knacker. Der hat ihn ihr gegeben. Wir müssen nur wirklich gut aufpassen, wie wir den loswerden, das ist alles. Geht nicht an, dass wir den zu dem Händler drunten an der North End Road tragen.« Erneut nahm Anwar Keefer ins Visier, der diesen Hehler für Diebesgut aufgetan hatte, und starrte ihn aggressiv an, obwohl Keefer eindeutig zu keinerlei Aktion fähig war. »Auch das überlasst ihr am besten mir. Ju, du begibst dich ans Telefon und nimmst Kontakt zu unserem Knacker auf und sagst ihm, er soll das Gewünschte zu den Müllcontainern am Aberdeen Place, St. John’s Wood bringen. Kapiert? Aberdeen Place, und die Container stehen auf der rechten Seite, gegenüber vom Crocker’s Folly. Er soll die Knete in einem weißen Müllsack anbringen, nicht in einem schwarzen. Und wenn er da ist, soll er in den Altkleidercontainer schauen, aber den Sack nicht hineinlegen. Meistens ist er voll, dieser Container, und so wird es auch sein, wenn er hinkommt. Der Kleidercontainer steht ein bisschen abseits von den anderen. Gleich daneben ist in der Wand eine Tür, und dann kommt der Flaschenkasten, ja? Er soll den Sack zwischen dem Kleidercontainer und der Tür auf den Boden legen.«
Julitta nickte. Mit Wonne hätte sie jede seiner Bitten erfüllt, so erleichtert war sie, dass sie bei dieser Transaktion nicht anwesend sein musste. »Er wird die Sachen haben wollen. Er wird nach den Ohrringen und dem Rest fragen.«
»Und er wird sie bekommen. Allerdings werden es – andere Ohrringe sein. Das sagst du aber nicht, ja? Du sagst, er wird sie auf der Innenseite des Containerdeckels angeklebt finden. Danach kann er gehen. Heute Abend soll er das machen, Punkt neun. Sag dem Scheißkerl, er soll auf dem Hinweg den Fußweg am Kanal entlang gehen und nach Hause über Lisson Grove. Wird er zwar nicht, er wird da bleiben und sich auf die Lauer legen, aber das ist o.k. Umso besser.«
Er ließ alles sacken, dann fuhr er Julitta an: »Wiederhol jetzt, was ich dir gesagt habe.«
Das tat sie ohne allzu großes Stocken. Anwar scheuchte sie und Flint hinaus, nicht ohne Julitta die Anweisung zu erteilen, sie solle innerhalb der nächsten Stunde ihren
Weitere Kostenlose Bücher