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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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übrigens, dass Will unser Hauptgesprächsthema ist? Da heißt es, Will dies und Will das, bis ich mich manchmal frage, ob er dir nicht näher steht, als du erkennst. Aber, keine Angst, ich werde am Sonntag nicht vorbeikommen. Ich werde bewusst wegbleiben.«
    Auch am Samstag blieb er bewusst weg. Becky stand nicht der Sinn danach, ihre alte Gewohnheit mit gemütlichem Einkaufen und Schaufensterbummel am Samstagvormittag wieder aufzunehmen, bei dem sie sich stets einen kleinen Luxus gegönnt hatte. Vielleicht würde sie das nie wieder machen. Allmählich bildete sie sich ein, sie könne nie mehr etwas ohne Kritik von James’ Seite machen. Er wollte sie unbedingt in eine andere Person verwandeln. Nicht nur, was Will betraf, sondern auch von ihrem Äußeren her. Warum gehst du nicht zur Maniküre, zur Gesichtspflege? Warum gönnst du dir nicht mal einen tollen Haarschnitt? So hatte es angefangen. Für Veränderungen war sie zu alt und zu unabhängig. Mehrmals grübelte sie unglücklich darüber nach, was er mit seiner Bemerkung gemeint hatte, Will stünde ihr näher, als sie zugab. Dass er ihr Liebhaber war oder tatsächlich ihr eigener Sohn? Sie ging auf dem Primrose Hill spazieren und blieb ziemlich lange weg, wobei sie sich inzwischen einsamer fühlte als in der Zeit, bevor James in ihr Leben getreten war.
    Vor Jahren hatte Becky einmal in einer Erdgeschosswohnung mit Garten gelebt und einen Tigerkater besessen, ein sehr anhängliches, großes, hübsches Tier. Als er mit siebzehn starb, hatte sie beschlossen, nie mehr eine Katze zu haben. In ihrem Leben sollte sich der tief empfundene Trennungsschmerz über seinen Tod nicht ständig wiederholen, wie das bei eingefleischten Tierbesitzern der Fall war. Als Fünfjähriger war er eines Tages verschwunden gewesen. Wie üblich war er ins Freie gelaufen und in jener Nacht nicht nach Hause gekommen. Sie klebte die allseits bekannten Flugblätter an Wände und Laternenpfähle, klingelte bei den Nachbarn und rief die umliegenden Tierärzte sowie im Städtischen Tierheim an. Ohne Ergebnis. Nach einer Woche voller Angst und Sorge gab sie ihn verloren. Freunde hofften, sie mit der Bemerkung zu trösten, er werde nach Katzenart ein Zuhause gefunden haben, das ihm besser gefiel. Andere vermuteten, er sei in ein fremdes Auto gesprungen und mitgenommen worden. Nur Becky kannte die Wahrheit. Nie hätte er ein Zuhause gefunden, das er mehr liebte als ihres, und Autos konnte er so wenig ausstehen wie Hunde, denen er stets aus dem Weg ging. Am achten Tag seiner Abwesenheit kam er zurück. Mit glänzenden Augen sauste er fröhlich wie eh und je durch die Katzenklappe und bettelte sofort um ihre Zuneigung. Dünn war er, aber sonst gesund. Sie fand nie heraus, wo er gewesen war.
    Wills Rückkehr hatte damit große Ähnlichkeit. Auch er kam ihr dünner vor. In anderer Hinsicht glich er ganz dem verirrten Kater. Freudig begrüßte er sie und umarmte sie stürmisch mit leuchtenden Augen. Und genau wie der Kater verspeiste er ein Riesenmittagessen und versank nach einer ausgiebigen Fernsehzeit zufrieden in den Schlaf. Über seine Tage mit Kim verlor er kein Wort, bis sie ihn fragte. Es war unheimlich, wie er anfänglich scheinbar vergessen hatte, wer Kim war, und sie mit verblüfften Augen anstarrte. Schließlich schien ihm etwas zu dämmern. »Ihr geht’s gut«, sagte er.
    »Es muss doch für dich nett sein, wenn du jemanden bei dir hast, den du magst.«
    Konnte es etwas Banaleres geben? Trotzdem schien er ernsthaft darüber nachzudenken. Das Ergebnis seines Nachdenkens kannte sie und wusste, was er sagen würde. Allerdings rechnete sie mit weniger Nachdruck.
    »Hier bei dir ist es besser. Das gefällt mir besser. Mir würde es ganz, ganz viel besser gefallen, wenn du bei mir wohnen würdest.«
    Als es später fast Zeit war, ihn nach Hause zu bringen, überraschte er sie mit einer Enthüllung und mit einer Erklärung. »Auf der Suche nach einem Schatz bin ich gewesen«, sagte er, »als ich damals in dem Garten gegraben habe. Als mich diese Männer gefunden und weggebracht haben. Ich wusste, der Schatz lag dort, ich habe es in einem Film gesehen und einen Spaten gekauft und habe gegraben und gegraben, aber ich konnte ihn nicht finden.«
    Ihr fehlten die Worte.
    »Juwelen waren das, Millionen und Millionen wert. Wenn ich ihn gefunden hätte, wollte ich ein Haus kaufen, und du und ich würden darin wohnen. Dort gäbe es Platz für uns beide, nicht wie hier oder in meiner Wohnung. Das wollte ich

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