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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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aus, ich bin stets auf Veränderung eingestellt. Mitgefangen, mitgehangen, sage ich immer.« Zeinab kam herein, und er stand auf. Ob aus reiner Höflichkeit oder weil er weiter wollte, konnte Inez nicht erkennen. »Guten Morgen, Zeinab. Eben habe ich Mrs. Ferry oder Inez, wie wir alle die Ehre haben, sie nennen zu dürfen, erzählt, dass meine Verlobte und ich am nächsten Samstag den Knoten knüpfen werden.«
    »Welchen Knoten denn knüpfen?«
    »Er wird heiraten, meint er«, sagte Inez.
    »Stimmt das? Genau eine Woche vor Mort und mir.«
    »Deshalb muss mein nächster Schritt heute Morgen – ich stecke bereits bis über die Ohren darin – der Kauf eines Eheringes sein. Ich bin sicher, hier kann man einen finden. Kein Grund, zu neuen Weidegründen aufzubrechen, oder?«
    »Lassen Sie sich von mir helfen«, meinte Zeinab.
    Inez fiel auf, dass sie heute Vormittag ganz ohne Schmuck war, kein Diamant, kein Saphir. Dafür gab es nur eine Erklärung: Morton Phibling und Rowley Woodhouse – wenn es ihn denn gab; gesehen hatte ihn noch nie einer – weilten heute beide nicht in der Stadt. Will Cobbett und seine Freundin hatten bereits das Haus durch den Mietereingang verlassen. Inez hatte sie gehört und dann gesehen, wie sie, mit Einkaufstüten in den Händen, die Star Street in Richtung Edgware Road hinaufgingen. Das Mädchen hielt sich an Wills Arm fest. Man konnte klar erkennen, dass er sich dem lediglich fügte und ihr nur passiv erlaubte, sich an seinem Ellbogen unterzuhaken. War es denn wirklich immer so, dass einer küsst und der andere nur die Wange hinhält? Bei ihr und Martin war es anders gewesen. Käme denn je ein Tag, an dem sie nicht fast jeder Vorfall, ob ernst, verstörend, lächerlich oder ganz gewöhnlich, an ihn erinnern würde?
    Jeremy Quick war nach seinem Versuch, sich bei ihr wieder lieb Kind zu machen, nicht mehr in den Laden gekommen. Auch sonst war sein Verhalten nicht normal gewesen. Zum Beispiel war er nicht täglich zur Arbeit gegangen. Er war zwar mehrmals fort gewesen, aber immer bald wieder heimgekommen und schließlich den ganzen Nachmittag und auch abends hier geblieben. Wie sie jetzt da saß und in Erwartung von Kundschaft zum Schaufenster hinaussah – Freddy und Zeinab musterten den Vorrat an schlichten Goldringen –, hörte sie auf der Treppe Jeremys Schritte. Dann fiel die Tür fast mit einem Knall ins Schloss. Er nahm nicht den gleichen Weg wie die beiden anderen, sondern schlug die entgegengesetzte Richtung ein, zum Bahnhof Paddington oder zum St. Mary’s Hospital oder nur zum Hyde Park.
    Vermutlich würde er an einem der beiden Feiertage seine Mutter besuchen, am Montag oder Dienstag. Wahrscheinlich war er jetzt unterwegs, um für sie ein Geschenk zu kaufen. Ein guter Sohn, ungeachtet seiner sonstigen Fehler.
    »Kann er die hier nach oben mitnehmen, damit Ludmilla sehen kann, welcher passt?«, wollte Zeinab von ihr wissen.
    Auf einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Schmucktablett lagen fünf Eheringe, einer mit einem Liebesknoten und der Gravur »Albert und Moira, für immer verbunden« auf der Innenseite.
    »Den wird sie nicht wollen«, warf Inez ein und nahm den gravierten Ring hoch.
    »Leider«, sagte Freddy, »befürchte ich, dass dies der Einzige sein könnte, der an ihre schlanken Finger passt.«
     
    Obwohl Jeremy das Schlimmste befürchtete, hatte er sich die Ohrringe nicht genau angeschaut. Er durchlebte soeben, wie sich ein Feigling beim geringsten Zweifel auf jenen Gemütszustand zurückzieht, von dem es heißt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und doch ist einem dabei nicht ganz wohl in der Haut, trotz der Hoffnung und dem Wissen, dass der Aufschub sich lohnen könnte, falls die Sache wie durch ein Wunder gut ausgeht. Natürlich muss man irgendwann den fraglichen Gegenstand anpacken und rasch untersuchen. Das hatte er schließlich um ein Uhr früh getan. Unerträglich beklommen war er aufgewacht, aus dem Bett gesprungen und hatte die Tüte aufgerissen. Noch immer gab es eine Spur von Hoffnung. Er machte die Augen zu und wieder auf und zählte die Brillanten im Silberblech. Sechzehn, natürlich, nur sechzehn, nicht zwanzig. Seine Erpresser – inzwischen war er sicher, dass es mehr als einer war – hatten ein ähnliches Paar wie die gekauft, die er im Laden deponiert hatte; wahrscheinlich führte sie jeder billige Juwelier im Land.
    Dafür gab es nur einen Grund: Sie würden ihn erneut um noch mehr Geld angehen. Vielleicht nicht heute, vielleicht

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