Der Duft des Bösen
keinerlei Versprechungen machte, wandte er sich an seinen Untergebenen. »Also los, Zulueta, wir haben noch einiges zu tun.«
»Ein unangenehmer Job, den die da haben«, rief Freddy fröhlich. »Tee gibt’s wohl keinen mehr?«
»Tut mir Leid, aber ich hatte meinen bereits, und die Tassen sind schon gespült.«
»Tassen mit einem ›n‹ am Schluss, stimmt’s? Inez, ich glaube, Sie haben einen geheimen Verehrer, der in den frühen Morgenstunden auf Besuch kommt.«
»Das war Mr. Quick«, sagte Inez reserviert. »Wenn’s jetzt nichts weiter gibt – Ludmilla wird sich schon fragen, wo Sie sind.«
Unendlich langsam schlurfte Freddy zu der Tür, durch die er gekommen war. Dazwischen blieb er immer wieder stehen, um etwas genau anzuschauen: einen Elfenbeinfächer, ein Buddelschiff, ein naives Gemälde vom Garten Eden und einen Messingtürklopfer in Form eines Löwenkopfes. Während es in der Ferne neun Uhr schlug, trug Inez den Bücherständer hinaus. Heute war es kalt und grau. Sprühregen überzog sämtliche Betonflächen mit einem feuchten Film. Draußen stand wieder der weiße Van, dessen Besitzer so stolz auf die Dreckschicht war.
Als Mr. Khoury sie auf dem Gehsteig sah, kam er aus dem Juweliergeschäft heraus und deutete auf den Van. »Wieder da«, sagte er. »Wie ich sehe, durchsucht die Polizei auch Ihren Garten. Ich frage mich nur: Wie bringt der Mörder diese Leiche in meinen Hinterhof? Etwa über die Mauer? Die ist zwei Meter hoch. Und zuvor über alle anderen Mauern? Auch zwei Meter hoch. Oder schleppt er sie durch den Laden? Sagt er vielleicht: ›Guten Tag, bitte um Entschuldigung, wenn ich diese Leiche durch Ihren Laden trage, um sie hinten zu vergraben‹? Fragt er vielleicht, ob er sich von mir einen Spaten leihen darf? Das frage ich mich.«
»Diese Fragen hätten Sie denen stellen sollen. Ist mein Ohrring schon fertig?«
»Ist fertig und wartet schon auf Sie. Macht zwölf Pfund fünfzig, und bei Reparaturen, bitte, keine Kreditkarten.«
»Ich komme dann später«, sagte Inez und flüchtete vor dem Regen wieder ins Ladeninnere.
Ihre Gedanken kreisten um Jeremy Quick. Ein netter Mann, machte keine Probleme – der ideale Mieter. Wenn er auszog, würde sie ganz gewiss keinen mehr bekommen, der auch nur halb so nett war wie er. Natürlich hatte sie keinen echten Grund, seinen Auszug zu befürchten. Sie kam nur darauf, weil er vor einer halben Stunde beim Tee von Belinda erzählt hatte und auch noch offener als je zuvor von deren Mutter. Offensichtlich war Mrs. Gildon unheilbar krank. In ihrem Alter schritt diese Krankheit wesentlich langsamer voran als bei einem jüngeren Menschen. Und dennoch würde sie höchstens noch ein Jahr zu leben haben, hatten die Ärzte Belinda erklärt. Diese Behauptung hatte Mrs. Gildon, die von Natur aus eine kräftige Konstitution und ein gesundes Herz hatte, schon einmal widerlegt. Während dieser Sätze hatte Jeremy derart niedergeschlagen gewirkt, dass Inez in einer tröstenden Geste die Hand auf seinen Arm gelegt hatte. Zu ihrer Verblüffung war er sofort zurückgewichen. Hatte er dies vielleicht als einen Annäherungsversuch aufgefasst? Ihr wurde ganz heiß im Gesicht. Er fuhr im Gespräch fort, als wäre nichts geschehen. Das Haus, in dem Belinda und ihre Mutter in Ealing wohnten, würde »eines Tages« ihr gehören. Wenn ihrer Mutter »etwas zustieße«, meinte er, wobei er andeutete – wenigstens bildete sich Inez das ein –, dass er und Belinda in diesem Fall heiraten würden. Bezüglich der Wohnung in der Star Street fiel kein Wort. Trotzdem zog Inez daraus den Schluss, dass ein Paar, dem ein Haus mit drei Schlafzimmern in Ealing zur Verfügung stand, sich höchstwahrscheinlich nicht für eine Dachwohnung in Paddington entscheiden würde.
»Liegt Mrs. Gildon im Krankenhaus?«, hatte Inez gefragt, während sie sich von ihrem Unbehagen erholte.
»Momentan, ja, doch das ist nur vorübergehend.«
»Ja, davon bin ich überzeugt. Trotzdem müsste Belinda derzeit dann doch etwas mehr Freiheit haben. Warum kommen Sie mit ihr nicht mal abends auf einen Schluck vorbei? Am Dienstag oder Mittwoch?«
»Sehr gern. Sicher wird auch Belinda gern kommen. Könnten wir den Dienstag ins Auge fassen?«
Also würde sie Belinda endlich doch noch kennen lernen. Vermutlich tranken beide Wein. Ihr Vorrat an harten Getränken allerdings ging allmählich zur Neige. Wenn sie ihren Ohrring abholen ging, würde sie sicherheitshalber im Spirituosengeschäft an der Straßenecke
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