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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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britischen Publikum unbekannt. Der Film hätte in New York spielen können, aber auch in fast jeder anderen Großstadt der USA. Ein Wolkenkratzergebirge, ein, zwei Straßenreihen mit Geschäften sowie Wohnstraßen, die sternförmig von diesem Stadtzentrum abgingen.
    Will gefiel es nicht sonderlich, als der von Russell Crowe gespielte Typ im Juwelengeschäft einen Wachmann erschoss. Im Publikum schien das sonst keinen sonderlich zu stören. Kim verspeiste weiter ruhig ihr Popcorn, und der Mann neben ihm kaute auf seinem Kaugummi herum. Deshalb redete er sich ein, das nächste Mal würde er fest die Augen zumachen, wenn es wieder so aussah, als würden sich Leute wehtun. Die drei brachen in ein Gewölbe ein, wo sie atemberaubende Juwelenberge fanden, hauptsächlich mit Diamanten besetzte Colliers, Armbänder und Ringe. Millionen sei das wert, meinte das Sandra-Bullock-Mädchen, vielleicht sogar eine Milliarde.
    Es gelang ihnen, unentdeckt von dort zu fliehen. Sie begaben sich wieder zum Haus von Russell Crowe, ein merkwürdig düsteres, altes Haus, in das Will nicht einen Fuß setzen würde, so sehr machte es ihm Angst.
    »Gruselig«, flüsterte ihm Kim zu und schüttelte sich betont.
    Er nickte. Wenigstens ging es ihm nicht allein so. »Mich gruselt’s auch.«
    Andererseits machte es ihm auch richtig Spaß, aber kaum hatte er die Sicherheit gewonnen, dass er sämtliche Ereignisse auf der Leinwand richtig verstand, wurde die Sache kompliziert. Neue Leute tauchten auf, die den toten Wachmann fanden, dann kamen ganze Scharen von Polizisten hinzu. Die Kamera schwenkte zu völlig unbekannten Plätzen, in Clubs und Bars und Kellerräume. Und überall wimmelte es von Leuten, die von den Polizeibeamten in einem barschen, unverständlichen Akzent verhört wurden. Jetzt war die Story nicht mehr ganz das Richtige für Kinder, und Will hatte komplett den Faden verloren. Er versuchte still zu sitzen. Becky hatte ihn bei früheren Kinobesuchen ermahnt, er dürfe die Leute ringsum nicht stören. Trotzdem fiel es ihm schwer, nicht herumzuhampeln. Außerdem machte sich in ihm ein Gefühl heftiger Enttäuschung breit. Er wurde ungehalten. Alles war so verständlich und einfach gewesen. Warum konnte es nicht so weitergehen wie am Anfang?
    Und dann tat es das plötzlich sogar. Die drei Juwelendiebe saßen in einem Auto, das mit Volldampf durch die Straßen jagte. Noch nie hatte Will ein echtes Auto so schnell fahren sehen. Mit quietschenden Bremsen fegte es um die Ecken und schüttelte seine Verfolgermeute ab. Das Auto der Diebe bog in eine Straße ein, wo auf dem Schild einer Straßenlaterne »Sixth Avenue« stand. Das konnte Will mühelos lesen. Es waren Druckbuchstaben, die lange auf der Leinwand blieben. Außerdem erkannte er sie vom Filmtitel wieder. Sixth Avenue. Das Auto sauste in einen Parkplatz, die drei stiegen aus. Russell Crowe trug die Ledertasche mit den Juwelen, der andere Mann einen Spaten. Geredet wurde nicht viel. Jetzt gab es Action pur. Sie befanden sich in einem Hinterhof, an einem verwahrlosten Ort mit Mülltonnen, einem Schrotthaufen und einem kaputten Schuppen. Doch am Ende standen auch Büsche, und der aufgebrochene Betonweg, aus dem schüttere Grasbüschel und Unkraut wuchsen, schlängelte sich durch blanke Erde. Über ihren Köpfen spiegelten sich am Himmel die Lichter der Stadt rot zwischen wilden Wolkenfetzen. Der Mann, der nicht Russell Crowe war, fing an, ein Loch zu graben. Als ihr Freund sie anbrüllte, sie solle doch helfen, fand das Mädchen in den Überresten des Schuppens einen zweiten Spaten und machte sich an die Arbeit. Alles, was sie taten, wirkte verzweifelt. Sie schienen ungeheuer unter Druck zu stehen. Wieder schüttelte es Kim und sie umklammerte Wills Hand. Damit hatte er nicht gerechnet. Trotzdem empfand er es als nett und tröstlich. Er drückte die Hand.
    Die drei Räuber vergruben die Ledertasche im Loch und schaufelten wieder Erde darüber, die sie festtraten. Dann warfen sie ein paar Ziegel und ein kaputtes Holzbrett darauf, sodass es aussah, als sei der Boden jahrelang nicht verändert worden. Schließlich hörte man aus der Ferne Sirenen. Freudige Erregung durchzuckte Will. Diese Töne kannte er, die hörte er in Paddington jeden Tag. Das alles passierte hier, hier in London! Auch die Räuber hörten die Sirenen und schauten einander an. Binnen Sekunden setzten sie über die Mauer, durch den nächsten Hof und über die nächste Mauer, und waren wieder auf dem Parkplatz. Danach wurde

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