Der Duft von Hibiskus
herbeieilte.
»Na, hier«, sagte er und stellte die Teller vor sie auf die Theke.
Im Stehen also. Emma seufzte.
Sie seufzte ein zweites Mal, als sie ihr Mahl betrachtete: Das ewig gleiche Hammelfleisch, damper und, wohl als Zeichen der Exklusivität, eine Scheibe Speck und ein Salat aus irgendeinem halb verwelkten Wildkraut. Immerhin roch das Essen relativ neutral; Gott allein mochte wissen, was die Männer auf dem Teller hatten, nach deren Essen es draußen gestunken hatte.
»Was gibt es denn zu trinken?«, fragte sie den Wirt.
»Schnaps, Lady«, grinste er. »Aber für Sie mache ich eine Ausnahme und schenke Wasser aus.«
»Vielleicht täte mir ein Schnaps hier ganz gut«, murmelte Emma resigniert, bemühte sich, auch ohne Schnaps die lüsternen Blicke der Männer zu ignorieren, und begann zu essen.
Zwei Stunden später waren der Wirt, Carl und Emma die Einzigen, die noch nüchtern waren. Krüger hatte sich ins Bett verabschiedet, Oskar und Pagel hingen an der Theke und schütteten sich vor Lachen aus. Auch der Wirt war bester Laune. Er animierte die Squatter alle paar Minuten dazu, eine weitere Lokalrunde zu schmeißen, und so tranken die Männer unaufhörlich. Als der Erste von ihnen auf den gestampften Boden sank und reglos liegen blieb, hob ein großes Gejohle an, und die restlichen Gäste überboten sich darin, »es dem Schwächling zu zeigen«, indem sie noch mehr Schnaps in sich hineinschütteten.
Carl fasste Emma am Arm und sagte leise: »Zeit zu gehen. Die werden wie die Tiere, wenn sie so besoffen sind. Es ist nicht mehr sicher für dich, Emma. Am besten lässt du dir jetzt dein Zimmer zeigen.«
»Gibt es denn keine Musik? Ich dachte, hier wird aufgespielt«, wehrte sich Emma, der die Vorstellung nicht behagte, sich zu den Flöhen und Wanzen begeben zu müssen.
»Zum Musizieren ist hier keiner mehr in der Lage«, sagte Carl. »Bitte, Emma, geh jetzt. Ich begleite dich auch.«
Widerwillig erhob sie sich. Doch als sie dem gelben Mann zu ihrem Zimmer folgte – sie bekam ein eigenes, die anderen Forscher mussten sich das zweite Zimmer teilen –, gab sie Carl im Stillen recht. Die Blicke, die die Männer ihr zuwarfen, waren nicht mehr nur lüstern, sondern nun auch äußerst aggressiv. Mit ihren vom vielen Trinken blutunterlaufenen Augen, mit den Sporen an den Stiefeln und den Ledergürteln, an denen Messer und Pistolen hingen, sahen die Squatter zum Fürchten aus.
Als sie ihr Zimmer unbehelligt erreicht hatten, atmete Emma auf. Sie sagte Carl gute Nacht und prüfte das Türschloss.
Es war kaputt, ebenso wie das Türschloss des zweiten Zimmers.
Verflixt. Wenn nun einer der Männer sich in der Nacht zu ihr verirrte? Oder – schlimmer – absichtlich in ihr Zimmer kam?
Carl schien das Gleiche zu denken wie sie. »Ich schlafe vor deiner Tür«, sagte er ruhig. »Und jetzt leg dich hin, wir haben morgen viel vor. Ipswich ist noch weit.«
»Du schläfst vor der Tür auf dem Boden? Für … mich?«
Er lächelte. »Wenn ich dich hier allein lassen würde, könnte ich vor Sorge um dich sowieso kein Auge zutun.«
»Ach nein, du musst nicht hier auf dem Boden schlafen, was soll mir denn passieren? Das ist mir peinlich, wirklich, ich möchte nicht …«
»Emma«, sagte er bestimmt. »Wenn ich nicht hierbleibe, dauert es keine zehn Minuten, bis der erste Kerl kommt und dich vergewaltigt. Willst du das?«
Geschockt starrte sie ihn an. »Um Himmels willen!«
»Also tu mir den Gefallen, geh jetzt einfach ins Bett, und lass mich hier aufpassen. Klar?«
»Klar.« Sie schluckte. »Danke, Carl. Danke, dass du das für mich tust.«
»Für dich tue ich alles«, sagte er knapp und schloss die Tür.
Mit hämmerndem Herzen blieb sie dahinter stehen, nur das dünne Holz zwischen ihr und ihm. Sie hörte, wie er es sich leidlich bequem machte. Zögernd ließ sie sich auf den Strohsack sinken, der als Bett dienen sollte, und streckte sich darauf aus. Waschen konnte sie sich hier nicht, also blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als tatsächlich sofort zu schlafen. Ob Carl es vor ihrer Tür sehr ungemütlich hatte? Und ob sie selbst in dieser bedrohlichen Umgebung überhaupt würde schlafen können?
Noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, forderten die Anstrengungen des Tages ihren Tribut, und ihr fielen die Augen zu.
Am nächsten Morgen waren die Männer verschwunden. Carl begrüßte Emma mit einem blauen Auge, schwieg sich jedoch darüber aus, wie er dazu gekommen war. Ihr fuhr ein Schauder über
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