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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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mit den Schultern. »In der australischen Wildnis ist Gastfreundschaft ein ungeschriebenes Gesetz, das wissen Sie doch. Das Leben in der Einsamkeit ist hart, da ist man auf Hilfe und Kameradschaft angewiesen. Und manchmal sogar auf freie Unterkunft und ein kostenloses Abendessen.«
    »Wird ja dann billig für uns, wenn wir auf den Stationen übernachten.« Pagel rieb sich frohlockend die Hände, offensichtlich freundete er sich gerade mit Carls Plänen an.
    Doch der zog die Augenbrauen hoch. »Dass die Besitzer der Stationen gastfreundlich sind, heißt nicht, dass wir uns wie Parasiten benehmen müssen. Selbstverständlich werden wir Busch-Inns vorziehen.«
    Pagel knurrte etwas, das wie »… zu gut für diese Welt …« klang, und Emma verkniff sich ein Grinsen. Sie erhaschte einen Blick von Carl, und flüchtig meinte sie, ein geheimes Einverständnis zwischen ihnen zu spüren.
    Doch Carl sah gleich wieder weg.
    Ich liebe dich, Carl, dachte sie sehnsüchtig. Wie gerne würde ich dir das sagen! Egal was in meiner Vergangenheit geschehen ist. Und in deiner …
    War sie untreu, wenn sie dieser Liebe nachgab und Ludwig endlich vergaß?
    Sie seufzte. Untreu war sie nur einem Menschen gewesen, dem aber gleich ganze eineinhalb Jahre lang: sich selbst.
    Es war Herbst geworden, und Emma hatte ihre Tage damit verbracht, sich Ausreden zu überlegen.
    Sie wusste inzwischen, dass sie Ludwigs Lust ab und zu befriedigen musste, sonst würde er sie verlassen, und diesen Gedanken konnte sie nach wie vor nicht ertragen. Aber nachdem sie ihm einige Wochen lang oft – viel zu oft – nachgegeben hatte, versuchte sie nun, die Abstände zwischen ihren Vereinigungen auszudehnen. Kopfschmerzen, Melancholie, Tante Erna oder simples Halsweh … damit ließ sich Ludwig recht gut hinhalten, und noch glaubte er ihr, wenn sie ihre verschiedenen Unpässlichkeiten als Grund anführte, warum sie ihn nicht besuchen könne.
    Ludwig bemitleidete sie, tröstete sie und dachte sich Aufheiterungen für sie aus. So schenkte er ihr die feinsten Pralinen und bestand darauf, sie damit zu füttern, was sie zwar peinlich fand, aber irgendwie auch aufregend. Ein anderes Mal spielte er ihr ein Lied vor, das er eigens für sie komponiert hatte. Nur für sie! Und sie war so hart und wies ihn ständig ab … ach, sie hatte Ludwig gar nicht verdient!
    Sie wurde zunehmend nervös. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Verliebtheit, ihrem Wunsch, sich Auguste gegenüber nicht noch schuldiger zu machen, und ihrer Sorge, dass Ludwig ihrer überdrüssig werden könnte, verbrachte sie Stunde um Stunde mit Grübeleien und mit Entschlüssen, die sie am Tag darauf wieder verwarf. Am liebsten hätte sie sich ihrer Mutter anvertraut, einfach nur, um die Last ihres Geheimnisses nicht mehr alleine tragen zu müssen. Doch das war natürlich unmöglich.
    Im Gegensatz zu ihr selbst war Emmas Mutter in den letzten Wochen regelrecht aufgeblüht. Emma fiel auf, dass Frau Röslins Augen strahlten; ihre Haut war stets rosa überhaucht, und sie schien von innen her zu leuchten. Emma sagte sich, dass sie mit der Ehe ihrer Eltern wohl zu streng ins Gericht gegangen war. Es mochte Höhen und Tiefen in einer langjährigen Verbindung geben, aber so schlecht, wie Emma geglaubt hatte, erging es einem offensichtlich doch nicht. Nicht so schlecht jedenfalls wie mir, dachte sie niedergeschlagen.
    Als die ersten Schneeflocken fielen, merkte Emma, dass sich immer öfter ein seltsames Gefühl in ihr Herz schlich. Sie spürte es, wenn sie über Ausflüchte nachsann, wenn sie Ludwigs Hände abwehrte, die er mitten in der Klavierstunde plötzlich auf Wanderschaft gehen ließ, oder wenn er sie überredet hatte und sie auf dem Weg zu ihm nach Hause war, wissend, dass sie sich nach dem Akt wieder einmal grässlich fühlen würde. Spürte sie Angst? Enttäuschung? Oder gar Abscheu?
    Wenn sie ehrlich war, war das neue Gefühl eine Mischung all dieser Empfindungen, und sie erschrak, als sie es erkannte. Sie liebte Ludwig doch! Er war doch so gut zu ihr, verwöhnte sie mit kleinen Aufmerksamkeiten, mit Küssen und mit süßen Worten!
    Und das, was er von ihr verlangte, wenn sie bei ihm war und sie im Bett lagen, das gehörte eben dazu. Sicher war es ganz normal, dass ein Mann im Rausch der Leidenschaft auf merkwürdige Ideen kam. Sie liebte ihn, also hatte sie sich seinen Wünschen freudig zu fügen, auch wenn er ihr manchmal weh tat oder sie sich in Grund und Boden schämte für das, was er von ihr verlangte.

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