Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
den Rücken. Offensichtlich hatte einer der Squatter versucht, zu ihr zu gelangen, genau wie Carl es vorausgesehen hatte; es war wohl ihr großes Glück gewesen, dass Carl so kräftig war und, im Gegensatz zu den lüsternen Kerlen, nüchtern.
    Der Wirt pfiff ein fröhliches Lied, als er ihnen das Frühstück servierte. Er musste ein kleines Vermögen mit den vielen Lokalrunden gemacht haben. Während des Essens erzählte er ihnen aufgeräumt, dass er nur wenig mit Übernachtungen verdiente, aber sehr viel mit Schnaps. Nicht selten würden Squatter, Schafhirten und Tagelöhner in den Buschkneipen in ein paar Tagen den Verdienst von Monaten vertrinken.
    Oskar und Pagel waren schweigsam und brummig, sie schienen an einem gewaltigen Kater zu leiden. Emmas Mitleid mit ihnen hielt sich in Grenzen. Wäre Carl nicht gewesen, der sich um Emmas Wohl gesorgt hätte, so wäre sie in der vergangenen Nacht mindestens einem der ausgehungerten Squatter zum Opfer gefallen – und Oskar hätte es noch nicht einmal bemerkt. Sollte er heute ruhig Kopfschmerzen haben.
    Auch Carl war schweigsam. So herrschte, als die Gruppe das schäbige Busch-Inn endlich verließ und sich wieder auf den Weg machte, zwischen ihnen allen missmutige Stille.
    Erst als das Gasthaus ihren Blicken entzogen war, ergriff Carl das Wort.
    In das Hufgetrappel hinein sagte er: »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schäbige Busch-Inns gibt. Zum Bersten voll mit Gästen übelster Art … Es tut mir leid, dass ich Sie alle dazu genötigt habe, dort abzusteigen.«
    »Hatten Sie es sich denn anders vorgestellt?«, fragte Krüger.
    Carl nickte. »Die Busch-Inns, in denen ich bisher gewesen bin, waren zwar nicht sauber, aber auch nicht solche Dreckslöcher. Außerdem habe ich noch nie ein Gasthaus erlebt, in dem die Gäste so systematisch dazu gedrängt werden, sich bewusstlos zu saufen.« Kurz traf sich sein Blick mit dem Emmas. »Deshalb war mir nicht klar, dass es gefährlich werden könnte. Sonst wäre ich Pagels Vorschlag gefolgt und hätte die Zelte doch mitgenommen.«
    Oskar lenkte sein Pferd neben ihn und fragte süffisant: »Sie geben zu, sich geirrt zu haben? Welche Schmach, mein lieber Scheerer.«
    »Was ist schmachvoll daran, Crusius, dass ich mich eines Besseren belehren lasse?« Carl sah Oskar von Orlandos Rücken aus kühl an. »Nur dumme Menschen beharren auf ihrem Standpunkt, wenn sie merken, dass er falsch ist.«
    Oskars Miene verfinsterte sich. Eine schlagfertige Antwort schien ihm nicht einzufallen, und so sagte er nur: »Ihr Veilchen steht Ihnen übrigens gut. Sollte ein einfacher Squatter es gewagt haben, an Ihnen sein Mütchen zu kühlen?«
    »Eigentlich wollte er sein Mütchen an Ihrer Verlobten kühlen«, sagte Carl eisig. »Was zu verhindern Ihre Aufgabe gewesen wäre, Crusius. Aber Sie haben es ja vorgezogen, sich zu betrinken.«
    Oskar zügelte sein Pferd so abrupt, dass es erschrocken wieherte. Auch Carl blieb mit Orlando stehen, und Emma tat es ihm nach. Schließlich ging es hier um sie, auch wenn ihr der Schlagabtausch der beiden Männer ganz und gar nicht gefiel.
    »Jemand wollte sich an Emma vergreifen?«, fragte Oskar.
    Carl deutete ein Nicken an.
    Oskar kniff die Augen zusammen und sah in die Ferne. Krüger und Pagel, die gemerkt hatten, dass etwas nicht stimmte, wendeten ihre Pferde und ritten mit fragenden Mienen auf sie zu. Wut und Anspannung lagen in der Luft. Nur die Ochsen nutzten seelenruhig die Gelegenheit, sich an den spärlich wachsenden Gräsern gütlich zu tun.
    Als Oskar merkte, dass die ganze Gruppe auf ein Wort von ihm wartete, straffte er sich und schien einen Entschluss zu fassen. Er schob das Kinn vor und sagte steif: »Ich habe meine Verlobung mit Emma gelöst, aus Gründen, die nur ihr und mir bekannt sind. Sie ist nur noch als meine Assistentin dabei und als solche selbst für sich verantwortlich.«
    Emmas Herz setzte für eine Sekunde aus.
    Carl starrte Oskar an wie vom Donner gerührt.
    Fast trotzig schob Oskar hinterher: »Ich habe also keineswegs meine Pflicht vernachlässigt, als ich sie heute Nacht, ähm, aus den Augen verloren habe. Stimmt’s nicht, Emma?«
    Sie konnte nur stottern: »Doch, äh, nein, ich meine, wir sind nicht mehr, aber wir hatten doch ausgemacht …«
    »… es der Gruppe in einer ruhigen Minute beizubringen, ja«, sagte Oskar. Ihre Verwirrung schien ihm Auftrieb zu geben, er hatte sich wieder vollkommen in der Gewalt. »Sie alle werden aber verstehen, dass ich solch ungerechte Vorwürfe,

Weitere Kostenlose Bücher