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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Glasscheibe auf meine Haut; ich spüre, wie sich die Härchen auf meinen Armen aufrichten, um sie zu begrüßen. Guten Morgen, Sonne. Guten Morgen, Morgen. Die Wolken sind bauschig und treiben über den Himmel, als hätte man sie von der Decke der Sixtinischen Kapelle gezupft und über Macao verteilt. Sie ruhen auf einem Laken aus glänzendem Blau. Seltsamerweise scheint heute kein Smog zu herrschen. Ich lehne meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und hole tief Luft; vielleicht kann ich diese Schönheit inhalieren. Ich rolle die Stirn zur Seite, um einen Blick zurück auf die kleine Insel zu werfen, die unser Bett darstellt. Die Laken sind zerwühlt und müssen gewaschen werden. Es riecht nach warmem Staub und altem Brot. Ich weiß, dass ich dringend aufhören muss, wie eine Einsiedlerin zu leben, doch die Anstrengung, mich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen, erscheint mir zu groß. Ich atme tief durch, um mich mental zu stärken, und suche unter der Spitzenunterwäsche, die ich schon lange nicht mehr trage, nach meinem Sport-BH.
    Der Pförtner blickt auf, als ich in Jogginghose, T-Shirt und Laufschuhen aus dem Fahrstuhl trete, zerzaust, aber wach und auf den Beinen. Ich frage mich, ob er erstaunt ist, mich zu dieser Tageszeit zu sehen. Oder mich überhaupt zu sehen. Sein Blick folgt mir, als ich aus der Glastür trete.
    Trotz des blauen Himmels riecht die Luft nach Autoabgasen und ist erfüllt vom Lärm der quietschenden Bremsen und der Hupen und den morgendlichen Geräuschen. Die Leute gehen zur Arbeit und liefern ihre Kinder im Hort ab. Zwei Ziele, die nicht die meinen sind. Ich sehne mich nach einem ruhigen englischen Park oder dem Sand eines australischen Strands, als ich an einer Frau vorbeigehe, die noch im Schlafanzug ist und Congee mit dem Löffel schlürft. Sie sieht mit einem leeren, schläfrigen Blick zu mir auf, dann senkt sie den Kopf und konzentriert sich wieder auf ihr Essen. Ich bin erleichtert, dass sie sich nicht für mich interessiert. Ich fühle mich hier irgendwie fehl am Platze. So blass und groß. Und ich komme mir fremd vor, ein Gefühl, das mit den Jahren immer stärker geworden ist. Als würde ich mich von mir selbst entfernen. Erst bin ich nach Australien geflohen, dann zurück nach London. Und jetzt hierher. Nach China. Ich sehe mir die Geschäfte auf beiden Seiten der Straße an. Zu dieser Tageszeit hat keines geöffnet. Als wir hierherkamen, wusste ich nicht, dass sie nicht vor zehn aufmachen, manche sogar noch später. Dafür schließen sie auch spät. Du kannst um zehn Uhr abends in ein Geschäft gehen, und der Ladenbesitzer kommt aus einem Hinterzimmer und wischt sich Reis und Suppe von den Lippen, bevor er dich bedient. Doch zu dieser frühen Stunde sind die geriffelten Eisengitter so fest geschlossen wie zusammengekniffene Augenlider. Wahrscheinlich steht in chinesischen Schriftzeichen SORRY, WIR SCHLAFEN NOCH auf den Schildern.
    Ein paar Häuserblocks weiter ist eine Schule mit einem kleinen Spielplatz in einer Ecke. Ich versuche nicht hinzusehen, doch er zieht mich magisch an. Der Spielplatz ist klein, betoniert und traurig, mit einer seltsamen Mischung von Miniaturmodellen berühmter Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen. Da steht ein Eiffelturm, eine kniehohe Sydney Harbour Bridge und eine schiefe London Bridge. Die Stationen meines Lebens, als hätte sie jemand genau für mich dorthin gestellt. Ich winde meine Finger durch die Maschen des Drahtzauns. Der Spielplatz ist leer, die Kinder sind in der Schule. Einsam und verlassen liegt er da – ohne Gras, ohne Kinder, ohne Gelächter. Ich zwinge mich schnell weiterzugehen, einen Fuß vor den anderen zu setzen und nicht in Tränen auszubrechen.
    Ich komme an der Bäckerei an der Ecke vorbei. Noch bevor ich den Laden erreiche, schlägt mir der Duft entgegen, schwer und süß. Die Autos parken in Zweierreihen davor, Einheimische springen aus den Beifahrertüren, um sich ihr Frühstück abzuholen. Eine lange Schlange hat sich vor dem Eingang gebildet. Drinnen gibt es Berge von pikanten gebackenen Teigklößchen, dunklen Honigkuchen in Scheiben, Brötchen mit getrocknetem Schweinefleisch, mit Schinken und geschmolzenem Käse belegte Brote. Die Bäckereien riechen hier anders als zu Hause. Ich habe einmal eines der Brote probiert, die Scheiben waren dünn und zuckrig.
    Ein paar Straßen von der Schule entfernt bleibe ich stehen und atme lange und langsam durch. Ich weine nicht. Dieser Moment ist vorüber. Ich sehe mich um, als

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