Der dunkle Kreuzzug
gerissen. Ich spüre es jedes Mal, wenn ein Jägerpilot getötet wird. Nach dreißig Jahren Dienst, davon die meisten im Krieg, bin ich von Geistern umgeben. Ihnen muss es doch genauso ergehen. Sie müssen doch auch noch ein paar Rechnungen offen haben. Worauf wollen Sie hinaus, Jackie?«
»Auf nichts Aufrührerisches«, erwiderte sie. »Meine jüngsten Erfahrungen lassen lediglich den Schluss zu, dass solche persönlichen Gefühle das professionelle Urteilsvermögen beeinflussen. Als ich im Crozier-System war, begegnete ich einem alten Freund – Owen Garrett.«
»Garrett lebt?« Fast hätte Barbara den Löffel fallen lassen, hielt sich aber zurück und legte ihn bewusst behutsam neben den Teller. »Ich dachte, er sei vor Jahren umgekommen.«
»Das dachten wir alle. Nein, er lebt, und er ist in etwas sehr Beunruhigendes involviert. Er glaubt, wir würden den Krieg unnötig in die Länge ziehen.«
»Von wegen!«
»Ich bin auch nicht seiner Meinung, Barbara. Dieser Krieg ist eine schreckliche Erfahrung, und unzählige tapfere Leute haben durch ihn ihr Leben verloren.« Jackie hob ihr Glas in Henry Santos’ Richtung, der kurz nickte. »Aber wenn man Ihnen sagen würde, es gibt eine Lösung für diesen Krieg, eine Möglichkeit, alle offenen Rechnungen ein für alle Mal zu begleichen …?«
»Von wegen«, wiederholte Barbara, diesmal etwas ruhiger. »Das
ist unmöglich. Selbst wenn jedes Schiff der Flotte mit Hütern und Fühlenden bemannt wäre, hätten wir trotzdem keine Chance, den Vuhl etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Es gibt keine magische Formel, kein geheimes Muster. Ich wünschte, es wäre so. Mir steht das Ganze längst bis hier.«
»Tja, Owen behauptet, es gibt einen anderen Weg, und seine Organisation sei bereit, diesen Weg zu beschreiten.«
»Als würden sich nicht schon genug Leute einmischen!«
»Wie meinen Sie das?«
»Vor ein paar Tagen bekam Erich Anderson einen ziemlichen Schock. Er sprang zu einem Ziel, und als er ankam, musste er feststellen, dass von dem Ziel nichts mehr übrig war.«
»Wer hat es vernichtet?«
»Identifiziert haben sich die Verursacher nicht, nur ein Symbol war zu sehen. Ein Stern, der …«
»… der von Wolken umgeben ist«, unterbrach Jackie sie. »Das sind sie. Das ist Owens Organisation: ›Flammender Stern‹. Wie fand Admiral Anderson heraus, wer dahintersteckt?«
»Durch einen Kom-Strahl. Die Emperor Ian schickte eine Sonde los, um die Überreste einer Station zu erkunden, und der wurde die Nachricht übermittelt, die an Erich persönlich gerichtet war. Man ließ ihn wissen, dass sie schon da gewesen waren und dass man davon ausgehe, Andersons Flotte bis zum endgültigen Ziel immer einen Sprung voraus zu sein.«
»KEYSTONE«, sagte Ron Marroux. Es war sein erster Beitrag zu der Unterhaltung.
»Die … Kralle von esLi glaubt, KEYSTONE sei die Heimatwelt der Vuhl«, meinte Jackie.
»Das ist sie nicht«, widersprach Barbara. »Das kann gar nicht sein. Das ergibt keinerlei Sinn – weder aus der taktischen Perspektive noch mit Blick auf die erhobenen Daten. Zwei blaue Sterne, keine bewohnbare Welt. Zugegeben, solche Daten kann man manipulieren. Das wäre nicht das erste Mal …« Barbara zog eine Augenbraue hoch. Keiner von ihnen hatte Cicero vergessen.
»Aber ich wüsste nicht, welchem Zweck das dienen soll. Mir ist verdammt noch mal egal, was die Legende dazu zu sagen hat … ich bitte um Verzeihung, se Gyaryu’har .«
Jackie nickte.
»Trotzdem«, fuhr Barbara fort, »haben die jüngsten Ereignisse uns veranlasst, das Tempo zu forcieren und uns dorthin zu begeben, um herauszufinden, was es da gibt. Mein Auftrag lautet, die Tristan mit meinem Flottenverband loszuschicken, um Erich Anderson zu unterstützen. Die Admiralität hält das für wichtig.«
»Ich würde mir gern diese Nachricht ansehen.«
»Nach dem Essen.« Barbara winkte den Steward zu sich, damit er ihre Suppe wegbrachte. »Sie werden sehen, wir haben mehr zu bieten als nur schönes Geschirr.«
»Daran habe ich nie gezweifelt.«
Colonel Marcia Tsang schlenderte in die gut besuchte Bar am äußeren Rand von Oberon und blieb abrupt stehen.
»Garrett«, sagte sie. Normalerweise konnte sie nichts aus der Ruhe bringen. Zig Jahre im Dienst Seiner Majestät hatten sie gegen die meisten Schocks und Überraschungen immun werden lassen, doch das hier … das war etwas völlig anderes.
Langsam ging sie zu den kleinen Tischen an der hinteren Wand der Bar, vor einem ständig sich
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