Der dunkle Kreuzzug
verändernden Wandteppich in den Farben des Regenbogens. Es war die Art von abstrakter Kunst, die sie im Allgemeinen hasste. Neben jedem Tisch standen zwei hohe Hocker. Owen Garrett saß auf dem Hocker, der ihr am nächsten war, das Kinn auf eine Faust gestützt. Sein Mund war zu einem schiefen Lächeln verzogen, als sitze er auf seinem Stammplatz.
»Ich dachte, Sie sind tot«, sagte sie, als sie neben ihm stehen geblieben war.
»Tsang-Robertson, richtig?«, erwiderte Owen Garrett und zeigte auf den freien Hocker. »Ist schon lange her.«
»Seit Cicero.« Tsang setzte sich auf den Platz. »Sehr lange«, stimmte sie ihm zu. »Wissen Sie, die Militärs mögen es nicht, wenn
sich Zivilisten in unseren Kneipen aufhalten«, fügte sie an und deutete auf die Bar. »Außerdem heiße ich nun wieder Tsang.«
»Scheint niemanden zu stören.« Das stimmte. Die sonst so besitzergreifenden Marines in der Bar blieben auf Abstand zu ihm.
»Sie geben einen aus.«
Owen nickte und bewegte eine Hand über die in den Tisch eingelassene Disk. Ein Kellnerrobot kam zu ihnen geschwebt.
»Dann hat es mit Allan Robertson aber nicht so gut geklappt.«
»Sie wissen wirklich, wie man ein Gespräch beginnt.«
Sie gaben bei dem Roboter ihre Bestellung auf, der kurz Owens Computer scannte.
»Allan und ich waren sechs Jahre zusammen, was für zwei Soldaten keine schwache Leistung ist. Er ist ein Flieger, ich bin Marine. Keine Trennung im Zorn. Er ging zurück auf die Tristan , ich kehrte auf die Stark zurück.«
Die Getränke wurden gebracht, Marcia hob ihr Glas. »Auf den Imperator.«
»Auf den Imperator«, stimmte Owen ihr zu, dann tranken sie beide. »Sie sind jetzt Colonel, wie ich sehe?«
»Mir war gar nicht bewusst, dass Sie sich so für meine Karriere interessieren. Hören Sie, was soll das Ganze? Ich bin hergekommen, um etwas zu trinken, und jetzt sitze ich einem Geist gegenüber.«
»Keinem Geist, Tsang. Und es ist auch kein Zufall. Ich hörte, die Admiral Stark ist im System, und daraufhin suchte ich mir den Ort aus, an dem ich Sie am ehesten finden würde. Sieht so aus, als hätte ich richtig getippt.«
»Mich finden?«
»So habe ich mich ausgedrückt.« Er nippte an seinem Drink, dann hielt er inne und betrachtete ein besonders klar strukturiertes Farbmuster an der Wand. Einen Moment später war es schon wieder verwirbelt, und er wandte den Blick ab.
»Sie wollen etwas von mir.«
»Sehr direkt, so wie immer. Das gefällt mir.«
» Sie dagegen sind nicht direkt. Hören Sie, Garrett, ich habe kein Problem damit, wenn man mir einen Drink spendiert. Aber wir waren nie befreundet, nicht mal auf Cicero. Also was wollen Sie von mir?«
»Das möchte ich Ihnen gern erzählen, Tsang. In den letzten Monaten habe ich viele alte Bekanntschaften wieder aufgefrischt. Leute, die ich mal kannte – Leute, die mich mal kannten.«
»Auf Cicero.«
»Ja. Da und anderswo.«
Er betrachtete sie plötzlich auf eine Art, die völlig anders war als noch vor ein paar Sekunden. Es war ein ernster, eindringlicher Blick, aber da war noch irgendetwas … etwas Erschreckendes.
»Sagen Sie, Colonel, was halten Sie bislang von der Kriegführung?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Drink.
»Gefällt Ihnen, wie der Krieg geführt wird?«
»Was soll denn das für eine Frage sein? Nein, natürlich nicht. Er dauert schon viel zu lange, und zu viele gute Leute sind gefallen.«
»Und was glauben Sie, woran das liegt?«
Marcia Tsang war lange genug Soldatin, um zu wissen, wann sie besser den Mund hielt. »Ich mache nicht die Politik, Garrett, ich führe sie nur aus.« Sie sah zur Seite, um ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. »Ich hoffe, Sie sind nicht von den Toten zurückgekehrt, nur um mir diese Frage zu stellen. Denn die Antwort darauf geht mich nichts an.«
»Ich glaube, da irren Sie sich. Ich glaube, sie geht jeden Soldaten, Matrosen, Piloten und Ingenieur etwas an, und sogar jeden Zivilisten. Sie, mich, jeden.«
»Sie hören sich an, als wüssten Sie die Antwort schon längst. Okay, Garrett, Sie bezahlen für die Getränke, dann sagen Sie mir auch, warum wir den Krieg nicht längst gewonnen haben.«
»Ganz einfach, Tsang, wir sind zu zurückhaltend. Wir warten
auf den ›richtigen Moment‹, an dem wir die Entscheidungsschlacht herbeiführen und die Käfer zur Aufgabe zwingen können. Wir warten darauf, dass Admiral Anderson den alles entscheidenden Schlag führt. Bis es so weit ist, trödeln
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