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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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barscher als beabsichtigt. »Kein Städter ist jemals allein unterwegs. Und schon gar nicht außerhalb Ghans.«
    Der Greis öffnete die Augen wieder. Es schmerzte, wie schnell mein Anblick sein Lächeln auslöschte und ihn wieder alt werden ließ. Immer noch eifersüchtig auf die Schönheit einer Fremden, Prinzessin? Ich hätte schwören können, dass das höhnische Echo wie Amadars Stimme klang.
    Der Alte winkte ab. »Niemand hat sie begleitet. Sie hat ein Pferd von uns genommen. Wir mussten es ihr ohne Geld überlassen – Städter haben ja Anrecht auf freien Tribut. Wir leben ja schließlich auf ihrem Land. Aber naja, seien wir ehrlich: Die zwei Jungs hätten ihr das Pferd ohnehin für ihr Lächeln geschenkt. Und wieso hätten wir sie fragen sollen, wohin sie will? Den Seelenverkäufern hinterherzuschnüffeln bringt nur Unglück.«
    »Seelenverkäufer? Warum nennst du … sie so?« Beinahe hätte ich uns gesagt.
    »Da fragst du noch? Weil sie Dämonen sind! Man darf sich in ihnen nicht täuschen. Sie mögen schön sein, aber sie sind gefährlich wie Diamantvipern. Funkelnd und verführerisch, aber umso giftiger.« Er seufzte tief und stocherte im Topf herum. Der Duft von gebratenem Fleisch stieg auf. »Trotzdem: Ich werde das Mädchen in meinen Träumen sehen, solange ich lebe«, murmelte er wehmütig. »Auch wenn ich den Sternen gedankt habe, als sie endlich weitergezogen ist.«
    »Die Bewohner Ghans sind ganz sicher keine Dämonen«, wandte ich ein.
    Die Frau lachte trocken und hart auf. »Wurdest du in einer Höhle von Eidechsen großgezogen? Jeder weiß, dass sie keine Menschen sind. Wenn du nicht aufpasst, suchen sie dich im Schlaf heim und fressen deine Träume. Und mit den Träumen deine Seele. Und dann bist du nichts weiter als eine Menschenhülle, die weiteratmet und deren Herz schlägt.«
    Ich weiß nicht, warum mich die Worte dieser Barbaren so betroffen machten. Verstohlen sah ich mich in der schäbigen Hütte um und versuchte, mit den Augen dieser Menschen auf meine Stadt zu schauen. Unsere Macht als Zweiheiten und unser Leben zwischen Glas und Stahl, mit schwebenden Hydraulik-Aufzügen und Wasserleitungen, musste ihnen vermutlich wie Magie vorkommen. Und natürlich waren wir keine gewöhnlichen Menschen. Aber Dämonen und Seelenfresser?
    »Wart ihr denn schon einmal in der Stadt?«
    »Davor mögen uns die Sterne bewahren.«
    »Woher wollt ihr dann wissen, dass diese Schauergeschichten wahr sind?«
    »Ich weiß genug!«, wies die Frau mich zurecht. »Sie sind unmenschlich reich, strahlend und unbesiegbar, aber sie kämpfen nie selbst. Sie sitzen nur in ihrer Zitadelle wie Köcherspinnen, die auf ihre Beute lauern. Und da müssen sie ja nie lange warten. Man sagt, sogar Könige und Heerführer aus den fernsten Ländern klopfen als Bittsteller an ihre goldenen Türen, bereit, ihre Armeen und ihre Seelen für eine Rache oder Macht zu verkaufen. Leid und Kriege werden in den Türmen Ghans geboren!«
    Ich erinnerte mich an die Gäste, die ich manchmal von den Fenstern aus beobachtet hatte. Ausländische Reisende in fremdartigen Gewändern, die ehrfürchtig das Zentrum betraten und staunend zu den Türmen hochblickten. »Natürlich holen sich viele Rat bei den Mächtigen Ghans«, erklärte ich. »Das ist nur klug – wi… die Menschen Ghans blicken auf eine lange, ruhmreiche Geschichte zurück. Sie sind mächtig und weise und verfügen über die besten Strategien.«
    »Willst du dich mit mir streiten, Mädchen?«, blaffte mich die Frau an. »Ich mag noch nie in der Stadt gewesen sein, aber ich habe Männer und Frauen über die Schädelfelder wandern gesehen, Soldaten, Söldner – und auch Reiche mit Dienern und Eskorten. Sie gingen als Bittsteller zur Stadt, und als sie ein paar Tage später zurückkamen, waren sie andere geworden, ein kalter Glanz in den Augen wie bei Raubtieren. Aasvögel folgten ihnen und Geister hefteten sich an ihre Fersen. Wenn ich solche Gäste bewirte, träume ich tagelang von Kriegen und Tod, als wären die Schlachtfelder wieder bevölkert. Mehr weiß ich auch nicht darüber, und der Mond ist mein Zeuge, mehr will ich von diesem Zauber auch nicht wissen. Also höre auf zu fragen oder ich jage dich aus meinem Haus und deinen Freund gleich mit!«
    Es war still geworden, der Alte und die Frau starrten mich misstrauisch an und warteten wohl auf eine Antwort. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nervös mit dem Ring vom Schlachtfeld spielte. Er rutschte auf meinen kleinen Finger. Rasch

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