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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Bestien zu verkriechen«, schalt ich sie. »Du hättest es verdient, im Maul der Kreatur zu landen, weißt du das? Und denk nicht, dein Schlangengeschenk macht das wieder gut!« Ich konnte nicht anders, als zu weinen – bis ich merkte, dass ich gar nicht weinte, sondern vor Erleichterung lachte! Zum ersten Mal seit Ewigkeiten, so kam es mir vor. Ungewohnt und fremd fühlte es sich an, richtig und doch verboten. Im Stillen bat ich Tian um Verzeihung.
    Amadar runzelte die Stirn, als würde ihn irgendetwas an mir irritieren, aber dann driftete sein Blick wieder durch mich hindurch, in einen Winkel meiner Seele, den ich selbst nicht kannte. »Nimm die Schlange mit«, murmelte er und schulterte das Gepäck. Dann reichte er mir seinen Sonnenmantel. »Hier, zieh die Kapuze über, ohne Tuch über dem Gesicht schaffst du es keine Stunde mehr in der Sonne.«

Das, was Amadar als »Station« bezeichnete, war eine winzige Barbarensiedlung, die von Dornenhecken umgeben war. Der Wind hatte Sandmauern daran aufgeschichtet. Vier solche Dornenwälle bildeten Kreise um das Hüttenzentrum, eine armselige Karikatur der Stadt mit ihren Festungsringen. Außerhalb der Wälle spendeten altersschwache Bäume Schatten. Ziegen und anderes Vieh dösten in der Hitze, an einem Seilgatter waren Pferde angebunden. Ein Hirte erhob sich im Schatten und kam uns entgegen. An seinem Gürtel steckte eine Steinschleuder, deren Schlinge bei jedem Schritt hin und her schaukelte. Als Barbar war er ohnehin unglaublich hässlich, aber zu allem Überfluss verriet sein Gesicht, dass er sich geprügelt hatte, eine Wange war blauviolett verfärbt und die Lippe angeschwollen. Amadar reichte ihm die Schlange und wechselte einige Worte mit ihm. »Wir bleiben nicht lange«, wandte er sich dann an mich. »In der größten Hütte kannst du dich ausruhen. Für die Schlange bekommen wir Wasser.«
    Die Hütte hatte anstelle der Tür einen Ledervorhang. Im ersten Moment war ich völlig blind, als ich eintrat, so dunkel war es darin. Stechender Geruch nach Ziege hüllte mich ein. Langsam schälten sich die Umrisse heraus. Ein dürrer Greis saß auf einer verschlissenen Matte, vor sich einen Metalltopf, der auf drei Steinen ruhte. Zwischen den Steinen flimmerte Glut. »Du bist also das Mädchen aus Tamrar?«, krächzte der Alte mir entgegen. Neuigkeiten flogen hier offenbar von Hütte zu Hütte. Ich nickte nur. »Setz dich. Ich soll dir was zu trinken geben.«
    Mit einem Ächzen hob er einen kleinen Tonkrug hoch und reichte ihn mir. Das Wasser war lauwarm und sandig, aber noch nie hatte etwas so gut geschmeckt. Der Alte beobachtete mich misstrauisch aus zusammengekniffenen Augen. Beunruhigt fragte ich mich, ob er vielleicht einen Steckbrief von mir gesehen hatte, aber das war natürlich unmöglich.
    »Will deinen Stamm ja nicht beleidigen, Mädchen. Aber sogar unter der Kapuze sieht man, dass du für eine Tamrar zu hübsch bist. Auch wenn du so dreckig und verrupft bist.«
    Dann bin ich ja beruhigt , dachte ich verstimmt. Ich habe meine wichtigste Gabe verloren, aber für die Barbaren bin ich immer noch schön genug.
    Er grinste. »Willst nicht reden, was? Versteh ich. Weißt du, ich bin alt, aber ich erkenne immer noch Unglück, wenn ich es sehe.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ah, sie hat ihre Zunge noch! Kannst es ruhig sagen, Mädchen. Deine Familie hat dich an den Kerl mit den Falkenaugen verkauft, ja? Hübsche Weiber bringen an der Küste viel Geld.«
    »Ich bin keine Sklavin. Und niemand verkauft mich, alter Mann!«
    Mein barscher Tonfall schien ihn zu wundern. Aber gleich darauf ging sein Husten in ein heiseres Lachen über. »Schön für dich. Schade für uns. Für meine Enkel könnte ich eine Frau gebrauchen, ist verdammt einsam für zwei junge Männer am Rand der Knochenfelder. Wir sind reich, viele Ziegen, Pferde – und Wasser haben wir auch. Du könntest wie eine Prinzessin leben.«
    Erst dachte ich, er wollte einen Scherz machen, aber dann verstand ich, dass es ein ernst gemeintes Angebot war.
    »Ich … bin schon einem anderen versprochen«, murmelte ich.
    »Ach, dem Kerl da draußen? Ist das ein richtiges Versprechen oder teilst du nur sein Lager?«
    »Suli, es reicht!« Eine knochige braunhäutige Barbarin stand mit der enthäuteten Schlange an der Tür. »Nimm’s ihm nicht übel, Mädchen. Unter Ziegen und Schlangen verlernt man die Höflichkeit, das gilt leider auch für meinen alten Vater.« Ich machte den Mund wieder zu und schluckte meine empörte

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